So 17.05.2020 | „Ach, danke!“ | Vikar Konrad Aller
Mein Großvater ist das, was viele Leute einen „einfachen Mann“ nennen würden. Er hat jahrzehntelang an der Werkbank als Dreher in einem Betrieb gearbeitet, der Industrie-Webmaschinen herstellt. Von seinem hart ersparten Geld hat er sich als junger Mann ein BMW-Motorrad gekauft. Das war damals eine Sensation im Dorf! Mit meiner Großmutter hat er halb Deutschland bewandert oder beradfahren. Mit meinem Vater steht er oft am Grill. Manchmal schon im Januar. Im Sommer werden die Äpfel geerntet und zu Kompott und Saft verarbeitet. Manchmal dreht sich ihm die Welt zu schnell, das macht ihm dann Sorge. Und wenn es was zu bauen oder zu reparieren gibt, ist mein Großvater immer zur Stelle. Sein letztes Werkstück ist ein Holzdeckel mit Löchern, durch die man Blumen in eine bauchige Vase stecken kann. Ist schön geworden!
Und mein Großvater hat mir so einiges beigebracht. In seiner Garagenwerkstatt – sein ganzer Stolz und Rückzugsort – wurden in meiner Kindheit aus feinsten Holzresten der Bärentöter und die Silberbüchse gefertigt.
Was mich an meinem Großvater aber vor allem beeindruckt, ist, wie oft er „Danke“ sagt. Manchmal mehr zu sich selbst als zu anderen. Und ich bin mir sicher: Er macht das auch, wenn er allein ist. Mein Großvater ist ein Mensch, der oft „Danke“ sagen kann für die großen ebenso wie für die klitzekleinen Dinge im Leben. Und es auch so meint.
Das heißt nicht, dass es nichts zu Klagen gäbe. Als Kriegs- und Nachkriegskind ist er zwar in einer liebevollen Familie aufgewachsen. Krieg- und Nachkriegszeit war’s aber eben trotzdem. Sein ältester Sohn, mein Onkel, starb mit 20 Jahren, kurz nach dem Abitur. Meine Großeltern hat das ihr Leben lang begleitet. Fünf Jahre lang hat er meine Großmutter vor ihrem Lebensende gepflegt. Das war eine reiche, aber auch eine entbehrungsreiche Zeit.
Mein Großvater verdrängt das nicht alles Schlechte, tut nicht so, als gäbe es das Schlimme nicht. Aber er sagt trotzdem „Danke“ – oft dutzende Male am Tag. Manchmal glaube ich: Er sagt gerade deswegen ganz bewusst „Danke“, weil er es so meint. Weil er es so sieht. Weil er wirklich dankbar ist. Und oft kommt das Danke auch einfach so hoch, purzelt aus ihm heraus, immer wieder.
„Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!“ (Phil 4,6), sagt Paulus.
Die Dankbarkeit meines Großvaters wurzelt in dem festen Vertrauen, getragen zu sein und auch mit den dunklen Seiten des Lebens nicht allein zu sein. Die manchmal leidvollen Fragen des Lebens vor Gott ausbreiten zu können und sich dabei gehalten und gehört zu wissen.
Und dann entfleucht ihm einfach ab und an ein „Ach, danke!“
Da kann ich mir von ihm, nicht nur heute am Sonntag Rogate: „Betet!“, etwas abgucken. Und dafür bin ich ihm wirklich dankbar. Amen.
Sa 16.05.2020 | Geburtstag | Pfarrer Hannes Schott
Heute habe ich Geburtstag.
Und bin jetzt in einem Alter, in dem sich manche vom Chirurgen die Falten wegbügeln lassen. Oder einfach nur die Haare färben. Um länger jung zu bleiben.
Ich will auch nicht alt sein und hab an meinem Geburtstag gegrübelt, dass jetzt wieder eine Kerze mehr auf meinem Kuchen brennt. Und ich jetzt irgendwie alt bin.
Insgesamt lässt einen auch die momentane Situation manchmal alt ausschauen, wenn nicht so klar ist, wie es weiter geht und viele Sorgen und Unsicherheiten auf dem Weg liegen. Da verliere ich auch manchen jugendlichen Elan, den ich mir sonst bewahrt habe und komme früh nur schwer aus dem Bett.
Dass mich mein Geburtstag in diesen komischen Zeiten ohne große Feier nicht völlig runter gezogen hat liegt an einer Karte, die ich zum Geburtstag bekommen hab. Es ist ein Zitat von Albert Schweitzer drauf:
„Du bist so jung wie deine Zuversicht. Jugend ist nicht ein Lebensabschnitt, sondern ein Geisteszustand. Solange die Botschaft der Schönheit, Freude, Größe, Macht von der Erde, von den Menschen und dem Unendlichen dein Herz erreichen, bist du jung. Erst wenn die Flügel nach unten hängen und das Innere deines Herzens vom Schnee des Pessimismus und vom Eis des Zynismus bedeckt sind, dann bist du wahrhaft alt geworden.“
Recht hat er, der Albert Schweitzer! Und auch wenn er auf Fotos mit seinem weißen Schnäuzer und seiner weißen Mähne auch körperlich nicht mehr ganz jugendlich aussieht, hat er doch einen ganz jugendlichen Glanz in den Augen.
Ob einer jung ist, sieht man nicht daran, wie viele Kerzen er auf dem Geburtstagskuchen, wie viele Falten oder graue Haare er hat. Sondern daran, wie einer auf die Welt schaut.
Und da wünsch uns allen, dass wir uns auch in diesen seltsamen Zeiten einen offenen, interessierten und frohen Blick in unsere Welt bewahren - denn so bleibt man ewig jung!!!
Ihr
Pfarrer Hannes Schott
Fr 15.05.2020 | Gott sieht uns | Pfarrerin Mareike Kraemer
Seit zwei Wochen gilt bei uns die Maskenpflicht. Das Tragen der Schutzmasken ist nicht nur medizinisch sinnvoll, sondern bringt auch zahlreiche weitere Vorteile mit sich: dank der Maske kann frau nämlich länger schlafen. Vorbei sind die Stunden vor dem Spiegel, der Druck, ein wunderbares Makeup aufzutragen. Dank der Maske, dem Schal oder was man sich auch sonst über die untere Hälfte des Gesichts stülpt, erlaubt einem diese Gesichtshälfte völlig unbehandelt zu lassen. Es reicht, sich von der Mitte der Nase bis zum Pony zu schminken und spart so dank der Maske Zeit und Schminke. So eine Schutzmaske ist auch total hilfreich, wenn man auf unangenehme Leute stößt: Menschen, die man nicht mag, kann man ganz leicht ignorieren und wenn man dann von denen direkt angesprochen wird, kann man sagen: „Oh sorry, mit der Maske hab ich dich gar nicht erkannt“. Und zuletzt kann so eine Gesichtsverschleierung ja schon ein Stück weit einen Adrenalinkitzel hervorrufen: Ich mein, wann können Sie jemals wieder maskiert eine Bank betreten? Das sollte man wirklich ausnutzen!
Aber neben all diesen wirklich guten Argumenten, lehren uns diese Masken eine wichtige Sache: dass zwar vieles aber eben nicht alle wichtigen Sinnesorgane bedeckt sind. Unsere Augen bleiben unbedeckt und können weiterhin unsere Mitmenschen in den Blick nehmen. Und dieses „In den Blick Nehmen“ ist etwas ganz Elementares. Im ersten Buch Mose wird von einer Sklavin namens Hagar erzählt. Die schwangere Hagar muss in die Wüste fliehen, um der eifersüchtigen Frau ihres Herrn zu entkommen. Sie entkommt zwar, aber strandet in einer der lebensfeindlichsten Gegenden auf der Erde überhaupt. In diese Ausnahmesituation tritt ein Engel Gottes. Er fragt was sie denn in der Wüste mache und sie erzählt von ihrer Flucht. Er fordert sie auf, sich ihrem Problem, also dieser anderen Frau, zu stellen und dorthin zurückzukehren von wo sie geflohen ist. Probleme gehen nicht weg indem man einfach wegläuft. Man muss sich ihnen stellen so unangenehm es auch sein mag. Der Engel fordert sie aber nicht nur zur Rückkehr auf, sondern verspricht ihr auch, dass Gott sie und ihr ungeborenes Kind segnen wird. Darauf sagt Hagar über Gott: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Für Hagar bedeutet schon die Tatsache, dass sie in ihrer Situation wahrgenommen und angesehen wurde, unendlich viel. Ermutigt und in der Gewissheit, nicht übersehen worden zu sein, kehrt sie zurück. „Gott sieht mich“ ist die Erfahrung, die Hagar macht. Dieses Versprechen, dass Gott uns sieht, gilt auch uns. Trotz Maske sieht er uns. Und im Gegensatz zu uns, versucht er gar nicht erst manche zu übersehen oder sich vor ihnen zu drücken. Gott sieht uns auch unter unseren Masken und geht mit gutem Beispiel voran wie wir in dieser Krisensituation begegnen sollen: mit offenen Augen und Hoffnung. Denn wir haben einen Gott, der uns sieht.
Do 14.05.2020 | Der Herr segne dich | Pfarrer Heinrich Busch
Ich schaue auf die Uhr und nehme noch schnell den letzten Bissen meines Brotes. Häuslicher Stress in Zeiten von Corona. Mich erwartet mein Computer mit einem Meeting. Für nicht wenige Alltag in dieser Zeit. Virtuell tut sich ein Raum auf, da sind viele Gesichter. Alle sehr gut zu sehen. Nicht nur in der Evangelischen Studierendengemeinde ist das nun Gemeindeleben: Ob Gottesdienste, Andachten, Gemeindeabende – niemand schaut mehr auf den Hinterkopf des in der Reihe davor Sitzenden oder hat nur einen Nachbarn, sondern alle sind on Screen und blicken sich ins Gesicht. Einer spricht und alle hören zu.
Gemeinde einmal anders: neue ungeahnte kreative Möglichkeiten, aber eben auch Verzicht – Verzicht auf gemeinsame Aktivitäten, das gemeinsame Frühstück oder Kochen, das gemeinsame Singen, die Gemeinschaft in Gottesdiensten... Viele kommen damit gut zurecht, andere merken, dass so ein Leben ganz schön einsam ist. Ein tröstendes Wort, aber auch ein herzlicher Händedruck, ein aufmunternder Blick – so sind wir es eigentlich gewohnt, aufeinander einzugehen. Auch die Einzelgespräche mit den Sitznachbarn, die sich in einer Gruppe ergeben, schaffen Verbindung und Beziehung. Eine Gemeinschaft lebt von solchen starken „Einzel“-Verbindungen. Menschen können sich anders öffnen, sie selbst sein, ihre Themen mit anderen in Beziehung bringen.
„Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.“ (Jes. 54,10) Einer ist und bleibt uns nah. Der Segen möchte uns genau das zusagen. Uns bleibt die Gewissheit: Im Segen ist Christi heilsame Nähe gegenwärtig. Ein Zuspruch, der gut tut und wichtig ist – gerade in diesen eingeschränkten Zeiten. Dass wir uns über den Computer sehen und hören können, ermöglicht ein Miteinander, aber wir freuen uns doch eigentlich alle, wenn wir uns wieder ohne Einschränkungen sehen und begegnen können.
Der Herr segne dich, behüte dich,
lasse sein Angesicht leuchten über dir
und der Herr sei dir gnädig!
Er erhebe sein Angesicht über dich
und erfülle dein Herz mit seinem Licht,
tiefer Friede begleite dich.
Ob du ausgehst oder heimkommst,
ob du wach bist oder schläfst,
sei gesegnet und gestärkt durch seinen Geist.
Ob du in das Tal hinab schaust oder Berge vor dir stehen,
mögest du den nächsten Schritt in seinem Segen gehen!
Text und Musik: Martin Pepper © 2000 mc-peppersongs
Mi 13.05.2020 | In der Tiefe | Pfarrer Edmund Grömer
Ein Taucher gleitet hinab in die Tiefe. Druck, Atemluft, Enge, Dunkelheit - alles ist anders als oben im Licht.
Ein Taucher antwortete auf die Frage, was ihn so reizt an seinem Beruf: „Wenn ich unten meine Arbeit mache, dann ist es vollkommen finster um mich herum. Ein schwärzeres Schwarz gibt es nicht. Ein dunkleres Dunkel habe ich noch nie gespürt. Ja, du spürst sie, die Dunkelheit. Sie hat Gestalt. Das nächste, was du spürst, ist: Du bist allein. Vollkommen allein. Und dann siehst du dich. Hart und ungeschminkt. Ohne Ablenkung. Ohne eine Maske, die du aufsetzt. Ohne eine Rolle, die du spielst. Du siehst dich. So, wie du bist. Und du kannst dir nicht entkommen. Um das auszuhalten, musst du dich selbst aushalten können. Musst du dich selbst gut leiden können. Sonst wirst du verrückt. Nicht an der Finsternis. Nicht am Alleinsein. Du wirst verrückt an dir selbst.“
In unserer jetzigen (verrückten) Zeit scheint es mir, als wäre wir alle irgendwie unter die Taucher gegangen. Natürlich, wir alle gingen nicht freiwillig in die Tiefe. Die Sache mit Corona und dem ganzen Drumherum zieht uns hinab. Es ist dunkel – durch die vielen verwirrenden Informationen und Meinungen. Da ist Druck, der sich aufbaut – immer stärker mit jedem weiteren Tag, der die Gewohnheiten des Alltags beschneidet. Wir sind eingeschnürt durch Verbote und Auflagen. Und das schnürt uns buchstäblich die Luft ab zum Atmen.
In der Tiefe dieser Zeit fühlen sich viele allein. Und manche von uns waren durch Quarantäne und Isolation tatsächlich einsam und allein. Auf sich selbst geworfen. Konnten sich selbst nicht entkommen. Sahen sich. Hart und ungeschminkt. Weil der Alltag der Welt, wie wir sie mit all ihrer Geschäftigkeit von früher her kannten, uns nicht mehr von uns selbst ablenken kann.
Ich wünsche mir, dass alle, die nun in der Tiefe sind, das aushalten können. Dass sie auch dort erfahren: Eigentlich kann ich mich ja ganz gut leiden. Ich muss nicht vor mir selbst davonlaufen. Andere müssen nicht vor mir davonlaufen. Mit mir kann ich´s, mit mir kann man´s aushalten.
Und falls doch weiter dunkle Gefühle nagen - ganz allein sind wir nicht. Selbst nicht in der tiefsten Tiefe: Gott ist dabei. Gott begleitet mich auch in meiner Tiefe, Dunkelheit und Einsamkeit. Und es verhallt nicht in der Finsternis, wenn ich rufe: „Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir. Denn bei dem HERRN ist Gnade und viel Erlösung bei ihm.“(Ps 130,1+7)
Gott ist dabei! Und mein und dein / ihr und euer Blick auf ihn wird auch in der Tiefe so manches Verrückte wieder gerade rücken.
Di 12.05.2020 | Wo Wissen fehlt, beginnt das Vertrauen | Pfarrer Martin Gundermann
Kaum wurden letzte Woche Lockerungen im öffentlichen Leben verkündet, begannen schon Diskussionen über weitere Lockerungen. Mittlerweile ist die Gesprächslage schwer zu überschauen.
Der Rotmaincenter ist wieder offen, die Bundesliga darf ab Mitte Mai mit „Geisterspielen“ wieder loslegen, die ersten Schüler können zurück in die Schule und wir konnten jetzt am Sonntag erstmals wieder Gottesdienst in der Stadt- und der Spitalkirche feiern. Zwar mit vielen Auflagen, Mindestabstand und Mundschutz, aber es tat gut, die vielen vertrauten Gesichter (zumindest zur Hälfte!) wiedersehen zu können.
Daneben gibt es in manchen Städten Demonstrationen (oft ohne Mundschutz) für mehr Freiheiten, jede Menge Verschwörungstheorien, - aber eben auch Menschen, die sich nach wie vor nicht trauen, das Haus zu verlassen.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern weist darauf hin, welche Schäden Kontaktsperren und Isolation an Leib und Seele verursachen. Sie sagen sinngemäß: Wir müssen auch an den Tod der Menschen denken, die wegen der Sperren sterben oder seelische Not leiden – jüngere und ältere.
Andere Wissenschaftler bestreiten das nicht, warnen aber vor weiteren Lockerungen zum jetzigen Zeitpunkt und sagen: Das ist noch viel zu früh.
Vermutlich geht es den meisten von Ihnen wie mir: Wir sind relativ hilflos in der Flut von Informationen, immer neuen Studien und Äußerungen von Experten. Manche sagen schon, Virologen hätten die Demokratie ersetzt. Andere sind froh, dass es sie gibt.
Kurz gesagt: Wir alle sind dem ausgeliefert, was uns Tag für Tag gesagt wird.
Wir können nur noch hinnehmen, weil unser Wissen am Ende ist.
Und wo uns Wissen fehlt, beginnt unser Vertrauen.
Wir können nur vertrauen: der Politik, den Wissenschaftlern, den Erfahrungen derer, die sich in der Welt umsehen und auskennen.
Wir können Ansichten haben, Meinungen, wir können uns fortbilden – aber dann müssen wir vertrauen, dass wir richtig geführt werden durchs eher dunkle Tal, das viele von uns gerade empfinden und fühlen.
In gewisser Weise sind alle Verantwortlichen mehr oder weniger überfordert von dem, was es so in der Welt noch nicht gab. Auch die Verantwortlichen müssen vertrauen, dass ihre Haltung und ihre Pläne richtig sind.
Was können wir also tun?
Wir können ihnen helfen, indem wir für sie beten.
Wir vertrauen sie der Macht Gottes an, der Himmel und Erde geschaffen hat und noch erhält:
Gott, gütiger Vater im Himmel,
dir legen wir die Menschen ans Herz, die uns durch das dunkle Tal dieser Zeit führen:
Politikerinnen und Politiker, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Ärztinnen und Ärzte, Schwestern und Pfleger, Forschende und Lehrende.
Wir bitten dich: Lenke sie mit deinem Geist, dass sie stets das Wohl aller im Herzen bewahren.
Gott, sei uns Vater und Mutter, damit wir unser Leben in Liebe bestehen können - bis wir zurückkehren in dein Reich. Amen.
Mo 11.05.2020 | Immer das Gleiche!? | Pfarrer Johannes Feldhäuser
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie folgen wir als Familie einer der vielen Aktionen: Wir zünden beim Abendläuten eine Kerze an, stellen sie ins Fenster, lesen einen Psalm, denken in der Stille an die Corona-Kranken, die Angehörigen, die Pflegekräfte und so weiter…
Dieses „und so weiter“ klingt den Betroffenen gegenüber fast etwas despektierlich. Aber wir haben mit den Wochen den Eindruck: Es passt zu unserem Gebet. Denn wir selber, unsere Angehörigen, Freunde oder Nachbarn sind (noch) nicht direkt von der Krankheit betroffen - Gott sei Dank! Durch diesen glücklichen Umstand stellte sich allerdings beim abendlichen Gebet mehr und mehr so etwas wie Routine ein. Man muss sich manchmal dazu aufraffen, es ist einem kein allzu dringendes Bedürfnis mehr, die Gedanken schweifen beim Beten ab. Immer das Gleiche.
Doch das kann es ja nicht sein! Beten soll eigentlich von Herzen kommen. Und so viele Menschen haben es wahrlich nötig, dass wir ihre Nöte vor Gott bringen! So habe ich seit ein paar Tagen in meiner Hosentasche Papier und Bleistift einstecken und versuche mit offenen Augen und Ohren durch den Tag zu gehen und aufzuschreiben, wo jemand mein Gebet brauchen könnte.
Was meinen Sie, wie voll mein Zettel am ersten Abend war?! In der Zeitung las ich, dass ein heimischer Betrieb wegen Corona insolvent wurde und viele Arbeitsplätze auf der Kippe stehen. Beim Telefonieren mit einem Gemeindeglied erfuhr ich, dass die Großmutter bei einem Sturz das Becken gebrochen hat und jetzt nur unter besonderen Bedingungen in der Klinik besucht werden darf. Und die Verkäuferin im Geschäft weiß nicht, wie das mit der Betreuung zuhause weiter funktionieren soll, wenn ihre Kinder noch länger nicht in die Schule dürfen… Seither habe ich genug zu beten! Durch die konkreten Anliegen ist mein Gebet wieder intensiver, und ich spüre erneut, wie dringend es täglich ist.
Im Epheserbrief (6, 18) heißt es: „Von Gebet und Fürbitte lasst nicht ab: Betet allezeit im Geist und dazu seid wach! Seid beharrlich in der Fürbitte!“
Braucht jemand Ihr Gebet? Selbstverständlich! Und Sie sollten ihn oder sie nicht enttäuschen! Einen gesegneten, behüteten Tag und gute Erfahrungen mit dem Beten!
So 10.05.2020 | Wasser | Pfarrer Simon Froben
Wie „Ströme von lebendigem Wasser aus dem Innern“ (Johannes 7,38)
Erst später sollten sie sich dieser 40 Jahre als einer wichtigen Zeit erinnern:
Die Zeit in der Wüste, als alles fehlte, was man zum Leben und zum Glauben braucht:
Das gewohnte Leben war ihnen abhanden gekommen,
das Wüstenbrot schmeckte fade,
fader noch, wenn sie an die Fleischtöpfe Ägyptens zurückdachten.
Die Zeit, die ihnen unendlich viel Geduld abverlangte und Vertrauen, das sich bewähren musste:
Da gab es kriegerische Völker,
doch bedrohlicher waren die beständige Sorge um das Auskommen am nächsten Tag,
das Murren und der Lagerkoller.
Die Zeit, als sie wohl einiges erlebt, doch nur wenig gesehen hatten:
Da waren nur Wüste und Steppe, Steppe und Wüste,
karge Felsen und der unwirtliche Gottesberg,
an dem sie in blinder Ungeduld und Sehnsucht um das goldene Götzenbild getanzt waren.
Die Erinnerung an die Wüstenzeit würde immer zwiegespalten bleiben
und doch wurde sie dem Volk Israel zur Heilszeit:
Eine Zeit der Begegnung mit Gott.
Eine Zeit des Anfangs und der Besinnung,
des Neu-Anfangs und der Neu-Besinnung.
Die Lehr- und Wanderjahre Israels.
Hier haben sie ihren Glauben gefunden,
verworfen
und wieder neu zu finden gelernt.
Später im Tempel sollte es heißen:
„Erinnert euch!“
Und als sie im Exil waren:
„Das habt ihr geschafft!“
Und auch Jesu Beginnen kommt nicht ohne diese Erinnerung aus:
Es ist der Geist seiner Taufe, der ihn für 40 Tage und Nächte in die Wüste treibt.
Die Zahl 40 steckt auch im Wort „Quarantäne“,
40 Tage dauerte die Isolation für Kranke, Händler und Reisende in früheren Jahrhunderten.
Nichts Neues also in diesen Tagen.
Hatten wir gedacht, wir seien davor gefeit
durch Wohlstand und Fortschritt,
durch Technik und Kultur?
Wie also werden wir uns dieser Tage erinnern?
Wie werden wir uns verändern?
Etwas Neues steht bevor. Das ist gewiss,
da wir nun auf unbestimmte Zeit aus dem Gewohnten aufbrechen,
Vertrautes hinter uns lassen mussten.
Wir werden nicht einfach zu den alten Ufern zurückkehren können.
Wüstenzeiten verändern unser Leben.
Für unseren Glauben können sie zum Brunnen werden.
„Schlage an den Felsen, und es wird Wasser aus ihm hervorquellen.“
(2. Mose 17,6)
Gebet
(nach Psalm 23)
Herr,
sein mein Hirte,
lass mir nichts mangeln.
Weide mich auf grünen Auen.
Führe mich zur Ruhe am Wasser,
gib mir neues Leben.
Leite mich auf Pfaden der Gerechtigkeit
um Deines Namens willen.
Und wenn ich im finstern Tal wandere,
so lass mich kein Unheil fürchten.
Sei Du bei mir,
schon Dein Stecken und Stab werden mich trösten!
Ja! Du deckst mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde,
Du salbst mein Haupt mit Öl
und mein Becher ist übervoll!
Ja! Güte und Gnade folgen mir alle meine Tage!
So lass mich zurückkehren
ins Haus des Herrn
mein Leben lang.
Amen!
Pfr. Simon Froben, www.reformiert-bayreuth.de
Sa 09.05.2020 | Fester Stand im festen Glauben | Pfarrerin Andrea Nehring
Heute lag ein Brief in meinem Briefkasten, geschrieben in der leicht zittrigen, aber akkuraten Schrift einer Seniorin. Ein Stück aus diesem Brief hat mich besonders berührt. Ich lese vor:
Nun hoffen wir, dass unser himmlischer Vater uns jeden Tag, den er uns schenkt, immer wieder neue Kraft gibt. Er hat uns versprochen: Seht ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende. Darum fühlen wir uns geborgen, und können friedlich und getrost jedem Tag entgegen gehen. So fest wie eine Eiche steht, bei Sturm und Ungewitter, so fest wollen wir in unseren Tagen stehn.
Steht fest in dem Herrn! In vielen Briefen haben die Apostel ihre Leute genau dazu ermutigt, etwa der Apostel Paulus im Galaterbrief: Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!
Oder im Kolosserbrief: Es grüßt euch Epaphras, ein Knecht Christi Jesu, der allezeit in seinen Gebeten für euch ringt, auf dass ihr fest steht, vollkommen und erfüllt mit allem, was Gottes Wille ist.
Probieren Sie es einmal aus. Stellen Sie beide Beine fest auf den Boden. So wie die Eiche, die der Wind packt und doch nicht verändern kann. Sie biegt sich nicht, sie lässt sich nicht so leicht entwurzeln. Sie steht fest. Wir sind eingewurzelt in Gottes Wort. So fest wie eine Eiche steht, bei Sturm und Ungewitter, so fest wollen wir in unseren Tagen stehn.
Und jetzt stellen Sie sich vor, Gott hat Sie bei der Taufe mit einer Schnur angebunden, die ganz oben an Ihrem Kopf festgemacht ist. Und er zieht leicht an dieser Schnur. Automatisch heben wir unseren Kopf. Der Blick öffnet sich, die Haltung wird aufrecht. Gottes Liebe macht frei, offen, aufrecht. Können Sie es spüren?
Es gibt bei den modernen Kirchenliedern folgendes Lied:
Wer bei dir sich birgt
steht fest auf einem Berg,
denn du bist seine Burg,
sein fester Turm.
Meine Augen richten
sich auf dich allein,
denn du bist meine Burg
mein fester Turm.
Ich vertrau auf deinen Namen, o Herr,
und ich preise deinen Namen oh Herr,
nur du bist für mich Sonne und Schild.
So hoch der Himmel ist,
ist deine Gnade über mir,
ist deine Gnade über mir.
Wenn mein Herz voll Schatten ist,
strahlt dein Lächeln über mir,
strahlt dein Lächeln über mir.
Jetzt dürfen Sie sich wieder setzen. Das Lied geht genau diese Bewegung mit. Das ist die Haltung derer, die fest stehen im Glauben: Die Füße eingewurzelt im Glauben, wir stehen fest auf einem Berg. Gott ist unser fester Turm.
Wir haben es nicht nötig, sorgenvoll auf unsere Füße zu schauen, ob sie auch wirklich stehen. Denn Gottes Band der Liebe zieht uns nach oben. Wir heben den Kopf. Meine Augen richten sich auf dich allein. Was sollte mir geschehen? Du bist meine Burg, mein fester Turm. Ich vertrau auf deinen Namen, Herr.
Und dann geht Gottes Lächeln über uns auf, strahlt ins Herz, macht uns froh, überleuchtet alle Schatten: Wenn mein Herz voll Schatten ist, strahlt dein Lächeln über mir.
Gebet.
Herr, dein Lächeln strahlt über mir. Ich spüre es. Ich sonne mich in deinem Licht. Du bist bei mir, vertreibst die Schatten.
Lass mich fest stehen im Glauben.
Öffne meinen Blick für die Schöpfung, für die Menschen um mich herum.
Halte mich fest durch das Band deiner Liebe.
Ich bitte dich auch heute für Menschen in Not:
Für die, die dein Licht nicht mehr wahrnehmen können, weil das Dunkel so schwer auf ihnen lastet.
Für die, die nicht fest stehen, sondern von Angst und Sorge getrieben sind.
Für die Kinder, die sich sehnen nach ihren Freunden, nach Kitas und Schule.
Dein Lächeln strahlt über uns allen. Danke dafür. Amen.
Andacht von Pfarrerin Andrea Nehring
Friedenskirche Bayreuth
Auch anzuhören auf Soundcloud
Fr 08.05.2020 | Fernweh | Pfarrer Ekkehard de Fallois
Hoffe auf den Herrn und tue Gutes; bleibe im Lande und nähre dich redlich (Psalm 37, 3)
In den sozialen Medien kursieren unzählige mehr oder weniger witzige Bilder, Videos usw, zur Corona-Krise mit all ihren Begleiterscheinungen. Neulich z.B. fand ich eine Aufstellung mit Urlaubszielen für das Jahr 2020 und eine ganz einfache, aber umso gemeinere Rechnung dazu. Überschrift: “Wähle deinen nächsten Urlaubsort”. Dann waren da einige nummerierte Reiseziele aufgezählt:
1. Schottland, 2. Italien, 3. Österreich, 4. Kroatien, 5. Frankreich, 6. Griechenland, 7. Israel, 8. Spanien, 9. Thailand, 10. Daheim, 11. Dänemark, 12. Portugal, 13. Schweden, 14. Malta, 15. Dominikanische Republik, 16. USA, 17. Bulgarien, 18. Ungarn, 19. Australien. Und dann die Aufgabe: 1. Wähle eine Zahl zwischen 1 und 19. Die 10. überspringst du am besten. Du willst ja unbedingt weg! 2. Multipliziere diese Zahl mit 3. 3. Addiere 3 dazu. 4. Das Ergebnis wieder mit 3 multiplizieren. 5. Zähle die Stellen der Zahl zusammen. 6. Nimm noch 1 dazu. 7. Mit dem Endergebnis landest du an deinem Urlaubsort 2020.
Und? Wo bin ich angekommen? Immer nur daheim. Daheim. Daheim. Ganz Deutschland in Balkonien, Terrassien, Gartenien. Meine Frau freut sich. Ihr waren die weiten Fahrten auf gut Glück mit dem Auto in die Länder Osteuropas immer etwas unheimlich. Ich dagegen bin mit jedem Kilometer, den wir uns von unserer Heimat entfernt haben, immer mehr aufgeblüht. Wir leiden nämlich an unterschiedlichen Krankheiten. Das ist uns erst in den vergangenen Jahren bewusst geworden. Heimweh und Fernweh heißen diese beiden Übel. Ich hab schon als Kind Landkarten geliebt und fange manchmal schon im Vorfrühling an, virtuell im Internet wenig befahrene Straßen rauszusuchen, mir die Bilder von spektakulären Landschaften, malerischen Ortschaften oder besonderen Kirchen anzuschauen und in Reiseführern zu blättern. Und dann packt es mich langsam wieder, das Reisefieber und ich würde am liebsten sofort meinen Rucksack packen und mich aufmachen, aufbrechen, ausbrechen, und dann: Einfach der Nase nach. In diesem Jahr dagegen bleibt wohl alle Sehnsucht ungestillt und mein Fernweh ungeheilt. Kein Balkan, kein Moldawien, kein Odessa. Harte Corona-Zeiten. Es wird mir nichts anderes übrig bleiben, als mich dem geflügelten Wort anvertrauen: „Warum nur in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah“, angelehnt an die Anfangsverse von Goethes Vierzeiler Erinnerung:
„Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.“
Was in meiner Psalm-Überschrift noch etwas biedermeierlich und engstirnig klingt, gefällt mir bei Goethe schon besser: “Denn das Glück ist immer da”, ja, auch bei uns, in unserer schönen Landschaft, bei den vertrauten Menschen, am besten verbunden mit dem gut biblischen Wort “sich aufmachen”. Das heißt ja auch “sich öffnen” für das, was uns unterwegs begegnet, in der Ferne wie in der Nähe. Sich auf das einlassen, was dran ist, und - warum nicht? - darin Gott entdecken.
Do 07.05.2020 | Jubilate! | Pfarrerin Julia Maser
… so hieß der vergangene Sonntag. Jubilate! Jubiliert! Frohlockt! Jauchzt! (Mit diesem Wort beginnt Psalm 66. Der Beter lobt und rühmt darin Gottes wunderbare Werke)
Meine Schwester würde sagen: „Echt jetzt? Warum soll ich denn gerade jubeln?“
Ja, warum eigentlich? Ich habe eine Geschichte für Sie:
„Eine Handvoll Bohnen“ (Quelle unbekannt)
Ein Mensch verließ niemals das Haus, ohne sich zuvor eine Handvoll Bohnen einzustecken. Er tat dies nicht etwa, um die Bohnen zu kauen. Nein, er nahm sie mit, um so die schönen Momente des Tages bewusster wahrzunehmen und um sie besser zählen zu können.
Jede positive Kleinigkeit, die er tagsüber erlebte – z.B. einen fröhlichen Plausch auf der Straße, das Lachen seiner Frau, ein köstliches Mahl, einen schattigen Platz in der Mittagshitze, ein Glas guten Weins – für alles, was die Sinne erfreute, ließ er eine Bohne von der rechten in die linke Jackentasche wandern. Manchmal waren es gleich zwei oder drei.
Abends saß er dann zu Hause und zählte die Bohnen aus der linken Tasche. Er zelebrierte diese Minuten. So führte er sich vor Augen, wie viel Schönes ihm an diesem Tag widerfahren war. Er freute sich und dankte seinem Schöpfer. Und sogar an einem Abend, an dem er bloß eine Bohne zählte, war der Tag gelungen.
Vielleicht haben Sie Lust, es in den nächsten Tagen einfach einmal auszuprobieren: Eine Handvoll Bohnen einzustecken, sie tagsüber von der einen in die andere Tasche wandern zu lassen und abends über die kleinen und großen schönen Momente des Tages zu jubeln – und Gott dafür zu danken.
Seien Sie Gott befohlen, Ihre Pfarrerin Julia Maser
Mi 06.05.2020 | Wege | Pfarrer Hannes Schott
Eine Missionarsfrau, die mit ihrem Mann in Afrika arbeitete, kümmerte sich um eine Siedlung mit Kranken.
Als sie einmal eine größere Spende bekamen, ließ sie die Wege der Siedlung, die sich bei Regenwetter in tiefen Morast verwandelten, neu machen und betonieren.
Sie freute sich auf glatte Wege und war enttäuscht, als sie sah, dass die neuen Straßen nicht glatt wurden, sondern dass man sie aufraute.
Sie reklamierte und wurde belehrt: „Wenn die Wege nicht rau sind, fallen die Leute mit ihren kranken Füßen hin, weil sie mit ihren Stöcken ausrutschen!“ Das bewegte die Missionarsfrau
sehr. Und sie erzählte ihrem Mann davon.
Nachdenklich fügte sie hinzu: „Macht Gott unsere Wege deswegen auch manchmal ein bisschen rau, damit wir mit unseren Füßen nicht ausrutschen, sondern Halt finden?“
Da ist schon was dran. Was mich in meinem Leben weitergebracht hat, sind nicht die Zeiten, in denen alles glatt lief.
Es ist die rauhen Wege, die mich zu dem gemacht haben, der ich heute bin. Charakterlich, menschlich bin ich daran gewachsen und dadurch geformt worden.
Auf rauhen Wegen hab ich mich darauf besonnen, was zählt im Leben.
Auf rauhen Wegen hat sich mein Glauben vertieft.
Rauhe Wege haben mich viel weitergebracht als glatte und ebene Wege.
Wenn es jetzt gerade in dieser Corona-Zeit viele rauhe Wege gibt, vertraue ich darauf, dass Gott uns auch auf diesen Wegen begleitet.
Und ich singe "Jesu geh voran":
"Führst Du uns durch rauhe Wege,
gib uns auch die nöt'ge Pflege.
Tu uns nach dem Lauf
deine Türe auf!"
(Niklaus Graf Zinzendorf)
Di 05.05.2020 | Hölderlins Trost | Pfarrer Karl Hufnagel
In diesem Jahr denkt mancher an den schwäbischen Dichter Friedrich Hölderlin. Er wurde vor 250 Jahren geboren und besitzt immer noch eine gewisse Anziehungskraft. Aus seiner Feder stammt der berühmte Satz „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“. Passend dazu titelte der Südwestrundfunk eine Sendung zum Jubiläum „Hölderlin-Trost in der Corona Krise“.
Rettung in kleinen Schritten waren und sind sicher die Einschränkungen, die uns verordnet wurden. Dazu sieben Wochen ohne! Ohne Gottesdienste, und das über Ostern! Wir hoffen, dass es sich im Sinne der Nächstenliebe gelohnt hat und Leben geschützt und bewahrt werden konnte; um auch die Gefahr in Grenzen zu halten. Nach der 5. These der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 hat der Staat die Aufgabe, für Recht und Frieden zu sorgen und damit Gefahren abzuwenden. Dem sind unsere Politikerinnen und Politiker nachgekommen. Gewiss keine einfache Aufgabe. Vor allem, wo es jetzt gilt, behutsam Lockerungen zuzulassen und abgewägt werden muss zwischen Wirtschaft, Schutz und Würde des Lebens.
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“. Ich habe in diesen Wochen viele Gemeindeglieder bewundert. Trotz der Gefahr blieben sie relativ gelassen. Sie freuten sich über Kontakte und kleine Zeichen der Verbindung. Was sonst immer so selbstverständlich ist, wird von manchen gerade in der Krise neu geschätzt. Ich hoffe, es bleibt so! Auch dass man einfach mal raus konnte aus dem üblichen Getriebe und den Hamsterrädern. Nicht immer pausenlos von einem zum andern. Dafür Zeit für Spaziergänge im Frühling, durch unsere Stadt zum Beispiel. Ich habe dabei ganz neue Facetten von Bayreuth kennengelernt. Die beschauliche Gegend um die 99 Gärten, das Kreuz mit stattlichen Straßenzügen, den Hofgarten in voller Blütenpracht, die Rotmainauen mit ihren Anhöhen und Ausblicken. Wunderbar! Ein Stück „Rettung“ inmitten der Corona Krise. Natürlich weiß ich auch dass es für viele richtig anstrengend ist. Nicht nur für Lufthansa, Wirtschaft, Restaurants und Kultur. Eine Mutter von drei Kindern erzählt mir: „Anfangs ging es ja noch mit dem Daheimbleiben. Bis Ostern, das war eine gute Marke. Aber jetzt, wo noch kein Ende in Sicht ist, ist es richtig anstrengend Zuhause. Meinen Kindern fehlen die Kontakte und Begegnungen …“. Gewiss, vieles ist schwierig, Einbrüche und Rezession drohen. Aber ich sehe auch eine Chance in der Krise. Hölderlins Trost in Corona Zeiten. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“.
Dankbar sein für Kontakte, und dass wir uns wieder besser und bewusster wahrnehmen. Uns wieder mehr schätzen. Das habe ich jetzt oft erlebt. Dazu kann es tatsächlich auch mal gut sein, auf etwas zu verzichten. Manches Bibelwort hat mich in diesen Tagen mehr als sonst oder wieder ganz neu angesprochen. Mich neu ausgerichtet, auf den hin, in dessen Nähe wir Heilung und Zuversicht erfahren. Auch wenn nicht immer gleich immer alle Angst und Sorge verschwindet. So habe ich es manchen Gemeindegliedern am Telefon zugesprochen „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet“. (Römer 12, 12)
An vielen Abenden haben meine Frau und ich eine Kerze ins Fenster gestellt, dem Abendläuten gelauscht, dann ein Lied gesungen, einen Psalm gesprochen und unsere Anliegen in Dank und Fürbitte vor Gott gebracht. Dabei haben wir davon etwas erfahren und gespürt, was Friedrich Hölderlin meinte „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“.
Mo 04.05.2020 | Aus der Grube heraus | Pfarrer Edmund Grömer
Daniel hat Feinde. Sie wollen ihm an den Kragen. Sie hetzen und stellen ihn. Er wird in die Löwengrube geworfen. Ein Todesurteil. Die Löwen werden ihn zerreißen. Todsicher! Todsicher? - Auch wir haben einen Feind: Sars-CoV-2, der Corona-Virus. Der will uns an den Kragen. Er lauert uns auf und stellt uns nach. Unsichtbar und überall. Todsicher! Todsicher?
Mulmig ist mir bei dem Gedanken. Ich bin wie gelähmt durch eine ungute Mischung aus Ärger, Wut, Trotz, Unsicherheit und Angst. Ja, Angst! Was ist, wenn der Feind mich erwischt? Natürlich, bei manchen verläuft die Krankheit glimpflich. Aber ich kenne auch Beispiele, die zeigen, wie hart Corona zuschlagen kann. Ich fühle mich wie in die Löwengrube geworfen. - Von meinen Gefühlen schreibe ich, von meiner Angst in meiner Löwengrube.
Von Daniels Gefühlen, als er in seiner Löwengrube war, wird nichts berichtet. Aber seine Zuversicht scheint durch. Für ihn ist sicher: Ich werde das – mit Gottes Hilfe - überstehen!
Es wird aber berichtet, dass König Darius sich um Daniel sorgt und Angst um ihn hat. Genau dieser Darius lässt am nächsten Tag die Grube öffnen und erlebt eine Überraschung: Daniel lebt! Er hat die Gefahr überstanden! - „Mein Gott hat seinen Engel gesandt, der den Löwen den Rachen zugehalten hat, sodass sie mir kein Leid antun konnten. […] Und sie zogen Daniel aus der Grube heraus, und man fand keine Verletzung an ihm; denn er hatte seinem Gott vertraut.“ (Dan 6,23a.24b)
So wurde Daniel für den durch Sorge und Angst gelähmten Darius Beispiel und Vorbild. Daniels Gottvertrauen war für Darius wie ein Bekenntnis. Und es ermunterte ihn zum eigenen Bekennen: „Gott ist ein lebendiger Gott, der ewig bleibt, und sein Reich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende. Er ist ein Retter und Nothelfer, und er tut Zeichen und Wunder im Himmel und auf Erden. Der hat Daniel von den Löwen errettet.“ (Dan 6,27b-28)
Ich bin mir sicher, dass auch Sie einen „Daniel“ (m/w/d) kennen. Einen, der genau wie Sie in der Löwengrube sitzt, dem aber klar ist: Ich werde das überstehen! Denn ich vertraue darauf, dass Gott 'mich von den Löwen errettet'.
Vielleicht ermuntert ihr „Daniel“ auch Sie zum Bekenntnis. Zur Erkenntnis, dass Gott unser aller 'Retter und Nothelfer' ist. Und vielleicht werden dadurch auch Sie ein „Daniel“ für wieder jemand anderen. Und vielleicht wird es dann einmal von uns allen heißen: 'Und sie zogen sie aus der Grube heraus, und man fand keine Verletzung an ihnen; denn sie hatten ihrem Gott vertraut.“
Wer weiß? Behüt' Sie Gott in dieser sonderbaren Zeit!
(Wenn Sie wollen, können Sie die Geschichte von „Daniel in der Löwengrube“ hier nachlesen...)
So 03.05.2020 | Bleibt alles anders | Pfarrer Dr. Carsten Brall
Wenn diese Zeit ein Lied vielleicht sogar eine Hymne bräuchte, dann vielleicht die von Herbert Grönemeyer aus einem Album, das schon vor 22 Jahren veröffentlicht wurde (und aus dem ein paar Zitate unten in fetter Schrift zu lesen sind, vgl. www.groenemeyer.de/bleibt-alles-anders/): Bleibt alles anders. Und recht hat er: Die große Konstante in dieser Corona-Zeit ist wirklich die Veränderung. Was heute gilt, kann morgen überholt sein. Worein wir in der Gemeinde oder auch privat heute Kraft und Energie stecken, kann sich morgen unter ganz anderen Gesichtspunkten darstellen. Manchmal ist es ziemlich anstrengend.
Gerade jetzt, gerade in diesen Tagen. Dieser Sonntag ist wahrscheinlich für viele Gemeinden der letzte Sonntag ohne einen Präsenz-Gottesdienst in der Corona Zeit. Viel Zeit und viel Kraft fließt darein, Dinge vorzubereiten, von denen ich nicht weiß, ob die Wirklichkeit und neue Regelungen mich nicht morgen wieder überholen. Das ist herausfordernd, aber es macht gerade auch viel Freude.
thron über konvention – das leben kommt von vorn! Überall wird heftig diskutiert, was die richtige Entscheidung ist. Die Konventionen sind brüchig geworden. Das Leben wächst allerorten aus seinen Beschränkungen heraus und in überall wägen wir ab: Wie können wir Nächstenliebe in diesen Zeiten leben und was ist, wenn das Glück des einen das Leid des anderen ist? Es ist kompliziert geworden und wir sind mittendrin, tanz den tanz auf dünnem eis. Das auf dem wir sind Eis ist zerbrechlich und dennoch tanzen wir. Ja, man kann eine Menge Fehler machen, aber es gibt so viele Chancen. Wer auf dem scheitelpunkt des lichts surft, der wagt etwas. Wir verlassen momentan den Raum des bekannten. Wir wissen nicht, wohin uns diese Entwicklung führen wird. Werden wir am Ende alle sehr viel mehr im Internet und mit dem Internet arbeiten oder werden wir davon genug haben und uns ganz auf die analoge Welt stürzen? Was bedeutet all das für die Schwachen, die Risikogruppen aber auch die Kinder? Wir wissen es nicht. Herbert Grönemeyer sagt über sich selbst, dass er evangelisch aufgewachsen sei und immer wieder finden sich bei ihm Bilder und Worte aus der Bibel. wasser wird zu wein, sagt er. Er spielt an auf die Hochzeit zu Kana, ganz zu Beginn von Jesu Wirken. Wir kennen die Geschichte, als der Weg Jesu im Johannesevangelium beginnt und dieser Weg wird keiner leichter sein. Und doch: Könnten hier unter uns Wunder der Mitmenschlichkeit und der Heilung geschehen, die wir noch sehen werden?
die limits brechen weg und die Zukunft liegt offen vor uns. Es wird weitergehen und wir werden uns noch wundern, wohin dieser Weg uns führt. der erste stein fehlt in der mauer, der durchbruch ist nah. Die Mauer alter Gewissheiten, die über Jahrhunderte so fest und sicher dastand, ist plötzlich zusammengesackt und abgebrochen. Wir sehen nun, ob sie wirklich nötig ist. Das trägt eine Verheißung. Denn wir haben unsere hoffnung als gegengewicht.
Nur in einem bleibt uns Grönemeyer etwas schuldig: Worauf hoffen wir? Die Antwort finde ich im Wochenspruch dieser Woche. Er ist die Rückseite der Medaille von Grönemeyers Hymne an den Wandel. Es ist kein Weg in den leeren Raum sondern ein Wandel hin zu einer neuen Gemeinschaft mit Gott. Paulus schreibt: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das alte ist vergangen, siehe, neues ist geworden“ (2. Kor 5, 17).
Pfarrer Dr. Carsten Brall, Stadtkirche Bayreuth
Sa 02.05.2020 | Hände | Pfarrerin Almut Weisensee
Hände: gemacht zum Anpacken, Arbeiten und Helfen, gemacht zur Zärtlichkeit, zum Streicheln, zu einer Umarmung oder einem Händedruck. Viele Hände aber sind in diesen Wochen unterbeschäftigt. Manche Menschen dürfen nicht anpacken und arbeiten oder helfen, wie sie wollen. Manche Menschen leben allein, und es ist Wochen her, dass ihre Hände gedrückt wurden oder sie selbst jemanden streicheln, umarmen oder liebkosen konnten. Manche Hände haben in diesen Wochen viel zu wenig Gelegenheit, das zu tun, wozu sie eigentlich da sind.
Andere Hände sind immer fleißig. Aber dann am besten geschützt mit Handschuhen und immer wieder desinfiziert, gewaschen, desinfiziert, gewaschen... Hände, die überstrapaziert sind.
Zu wenig zu tun, zu viel zu tun, einsam sein … nichts davon tut der Seele wohl. Unsere Hände bräuchten einmal wieder eine sanfte, wohltuende Berührung, die uns Geborgenheit vermittelt und Mut schenkt. Gibt es das? Im 63. Psalm betet einer, der, in diesem Falle durch Feinde, bedroht ist. In seiner Angst hält ihn eines aufrecht. Er betet zu Gott: „Meine Seele hängt an dir, deine rechte Hand hält mich.“ (Ps. 63,9)
Da ist Gottes Hand. Sie hält uns. Manchmal hält sie uns zurück. Manchmal stärkt sie uns den Rücken. Manchmal ist sie tätig und hilfsbereit. Manchmal berührt sie uns zärtlich und tröstend. Aber woran spüren wir Gottes Hand, wo wir sie doch nicht sehen können?
Vielleicht spüren wir sie in kleinen wohltuenden Momenten. Ich habe gerade den Frust, da ruft eine nette Freundin an. Ich gehe durch den Garten, und wieder ist etwas aufgeblüht. Ich lausche dem Morgenkonzert der Vögel. Ein lieber Brief liegt im Briefkasten. Auf dem Handy ist eine lustige WhatsApp, und ich kann mal wieder von Herzen lachen.
Vielleicht ist das ermutigende Schulterklopfen Gottes auch das, was zurückkommt, wenn wir etwas geschafft haben: Freude, wenn der aufgeräumte Keller blitzt und blinkt. Ein Lob oder ein Dankeschön. Oder Kinder, die, so anstrengend sie auch sind, sagen: „Ich hab' dich lieb!“
Und ganz gewiss dürfen wir Gottes Hand spüren, wenn es um geistliche Güter geht: ein Gebet, das erleichtert. Ein Gottesdienst mit guten Worten und Gedanken. Der Blick aufs Kreuz Jesu Christi, der uns erinnert, wie viel Gott für uns zu geben bereit ist.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie die zärtlichen und helfenden Hände Gottes in Ihrem Leben spüren und dass Ihnen das zum Mutmacher wird.
Fr 01.05.2020 | Gottvertrauen | Pfarrerin Dr. Angela Hager
Heute, am 1. Mai, wird der „Tag der Arbeit“ begangen. Es ist kein kirchlicher Feiertag, aber ein Anreiz, sich mit dem Wert der Arbeit aus christlicher Sicht auseinanderzusetzen. Der heutige Lehrtext aus der Bergpredigt tut dies auf seine ganz eigene Weise.
Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden?
Mir fällt der schwäbische Spruch ein: „Schafft der Herr das Häsle, so sorgt er auch fürs Gräsle.“ Die Worte Jesu sind ein Aufruf zu einem solchen Gottvertrauen - und dazu, die lange Straße des Lebens immer nur Besenstrich für Besenstrich zu kehren, so, wie es der Straßenkehrer Beppo in dem Kinderbuch „Momo“ vorgemacht hat.
Ich denke an die Menschen, die jetzt um ihre Arbeit und um ihre Existenz bangen. Die Worte Jesu waren nicht an Privilegierte gerichtet, sie waren nicht blauäugig. Sie wurden vor allem von Menschen gehört und weiterverbreitet, denen die wirtschaftliche Wende unter der römischen Besatzungsmacht den Boden unter den Füßen wegzog. Sorget euch nicht: Für viele auch damals eine Herausforderung für den Glauben. Vielleicht konnten Menschen sie auch deshalb annehmen und hören, weil Jesus noch etwas hinzusetzte: „Trachtet zuerst nach Gottes Reich und nach seiner Gerechtigkeit“. Jesus erzählt mit seinem ganzen Leben und Wirken von einer Gesellschaft, in der eben diese Gerechtigkeit Gottes aufscheint: Es ist eine Gesellschaft, die alle im Blick hat, eine „Gemeinschaft des Teilens anstelle einer Gemeinschaft der Gier“, wie es der Religionswissenschaftler John Crossan ausdrückt. Nicht der Konsum und das Wachstum der Wirtschaft als Wert an sich, sondern der Schutz der Schwachen und die Solidarität stehen an erster Stelle.
Gottvertrauen, trotz allem - und der Einsatz für eine Gemeinschaft des Teilens: Das ist ein Denkanstoß der Bibel, heute, am 1. Mai.
Do 30.04.2020 | Pusteblume | Pfarrer Andreas Gebelein
Die Samen von so ner Pusteblume - ganz schön mutig, oder?
Eben waren sie noch alle zusammen auf ihrer Mutterpflanze gesessen. In ihrer vertrauten Umgebung. Hier, wo ihnen nichts weiter passieren kann, hier wo sie sich wohlfühlen.
Aber auf die Dauer wird’s da eben langweilig. Und so stürzen sie sich kühn und mutig auf die Schwingen des Windes und tanzen von dannen. Wohin? Wer weiß. Wohin der Wind eben weht. Es wird schon alles gut gehen. Und irgendwo angekommen ist man bisher immer – selbst wenn der Boden manchmal hart ist. Ein Neuanfang gar nicht so leicht. Man fasst schon Fuß, schlägt schon irgendwann Wurzeln.
Woher nehmen diese kleinen, zierlichen Windtänzer nur ihren Mut? Ihr Vertrauen? Ihre Leichtigkeit? Hat ihnen irgendjemand gesagt, dass er auf sie aufpasst, sie beschützt auf ihrer Reise in die ungewisse Zukunft? Aber wer? Vielleicht der, der sie geschaffen hat. Ich frage mich: Redet Gott mit Blumen? Der Pusteblumenflüsterer - eigentlich ist das die einzig logische Erklärung! Ich könnte mir vorstellen, dass er ihnen für ihren Flug das mitgegeben hat, was er auch mir in der Bibel sagt – in diesen stürmischen Zeiten, die wir gerade durchmachen: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir!“
Mut ist gefragt. Und die Lust auf Neues, auf unbekannte Wege und Winde.
Ich wünsche uns allen solchen Pusteblumen-Mut. Ich wünsche uns Leichtigkeit bei neuen Wegen – im Vertrauen darauf, dass Gott dabei ist.
Ihr Pfarrer Andreas Gebelein, Gefrees
Mi 29.04.2020 | Stein des Anstoßes | Pfarrerin Stefanie Lauterbach
Coronakrise im Hause Lauterbach. Sohnemann poltert wutentbrannt durchs Haus, weil Papa ihn vom Computer vertrieben hat. Töchterchen heult, weil sie auf neue Wochenpläne aus der Schule grundsätzlich keine Lust hat und auf Mathe erst recht nicht. Mein Ehemann ist gestresst, denn die Online-Plattform seiner Arbeitsstelle verweigert Zugriffe und so kommt er im Homeoffice nicht weiter. Mir steht das Adrenalin bis zur Oberkante Unterlippe. Im Haus das reinste Chaos, alle schreien rum. In der Besprechung mit meinem Kollegen bin ich so geladen, dass dieser fragt: „Sag mal, warum bist Du denn heute so?“ Ich weiß auch nicht. Lagerkoller. Schlechter Tag. Eben Coronakrise.
„Ich muss hier mal raus“, sage ich noch zu meinem Mann und beschließe – in den Getränkemarkt zu fahren. Das ist ohnehin nötig. „Der Ausflug in den Getränkemarkt“, so denke ich unterwegs im Auto, „das ist also jetzt das Highlight des Tages!“
Genervt nehme ich einen Einkaufswagen und belade ihn mit meinem Leergut. Da fällt mein Blick auf einen Gegenstand. Er liegt in dem kleinen Fach oben am Einkaufswagen. Ich halte inne und bemerke: Das ist ein Stein. Aber ein ganz besonderer. Er glitzert in verschiedenen Grüntönen. Ein vierblättriges Kleeblatt ist draufgemalt und der Schriftzug: „Viel Glück!“ ziert ihn. Ich nehme ihn in die Hand und drehe ihn um. Die Rückseite ist voller bunter Punkte. Und das Wort „Frankenstones“ steht drauf.
„Frankenstones“ – dahinter stecken Menschen, die sich über eine Facebookgruppe vernetzen, wie ich später herausfinde. Sie bemalen Steine, schreiben oft eine Botschaft drauf und „wildern die Steine aus“, legen sie also irgendwo ab, zum Beispiel im Einkaufswagen eines Getränkemarktes. Ziel ist, dass diese Steine gefunden werden und dem, der sie findet, ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Liebe Frankenstones, das ist gelungen. Der Stein hat mich zum Lächeln gebracht. Und je länger ich ihn in meiner Hand hielt und betrachtete, umso mehr Freude erfüllte mein Herz. Weil mir klar wurde, dass da ein mir völlig fremder Mensch mit Mühe, Zeit, Geschick und Liebe diesen Stein gestaltet hatte. Um wiederum einem für ihn oder sie völlig Fremden eine Freude zu machen. Mir.
„Wir sind Gehilfen eurer Freude“ – das sagt Paulus von sich und seinen Mitarbeitern. Der Mensch, der diesen Stein bemalt und abgelegt hat, ist mir genau das geworden. Er oder sie hat mir zur Freude verholfen. Das hat meinen Tag verwandelt. Den Frust in ein Lächeln. Statt „Schnauze voll“ nun wieder „Augen auf“. Voller Neugierde, was dieser Tag noch bringen könnte.
Und jetzt wildere ich diesen Stein wieder aus. Und wenn Sie ihn nicht finden, dann finden Sie heute hoffentlich etwas anderes, das Ihnen ein „Stein des Anstoßes ist“ – aber des Anstoßes zur Freude.
Di 28.04.2020 | "Vom Suchen und Finden" | Pfarrer Wolfgang Heidenreich
Können Sie sich noch an Ihre Kinderzeit erinnern, in der Versteckspiele ganz hoch im Kurs waren? Etwas Verstecktes zu suchen und zu finden, machte große Freude.
Auch heuer waren an Ostern wieder viele Familien draußen in ihren Gärten, wo der Osterhase – trotz Corona – zuvor die Ostereier verstecken durfte. Für die kleinen Kinder war das ganz spannend, denn es gab etwas Buntes zu suchen und zu finden.
Und wenn sie dann – wie das Mädchen auf unserem Foto – endlich einzelne bemalte Ostereier, bunte Schokoladeneier oder gar ein ganzes Osternest gefunden hatten, dann war die Freude groß gewesen. - Für unsere Kinder sind solche Erlebnisse ganz wichtig!
Auch wir Erwachsene suchen oft etwas. Manchmal suchen wir so alltägliche Dinge wie das verlegte Smartphone oder den Autoschlüssel. Und wie froh sind wir dann, wenn wir sie wiedergefunden haben.
Und manchmal suchen wir auch ganz wichtige Dinge: einen festen Beruf, eine neue Wohnung, Gesundheit, Frieden, die passende Partnerin oder den passenden Partner zum Leben, … - Und wie groß ist dann die Freude, wenn wir fündig geworden sind!
Gerade jetzt in diesen Wochen sind wir auch wieder auf der Suche. Wir suchen das vertraute Leben wieder zurückzubekommen. Wir suchen Gemeinschaft und menschliche Nähe. Wir suchen mit Hochdruck nach den richtigen Wegen aus der Krise.
Und letztlich suchen wir einen Halt, weil uns der vermeintlich sichere Boden unseres Lebens unter den Füßen weggezogen wurde.
Mitten hinein in diese Suche spricht unsere heutige Tageslosung aus dem Herrnhuter Losungsheft. Es ist ein Bibelwort aus dem Alten Testament. In 1. Chronik 22,19 steht:
So richtet nun euer Herz und euren Sinn darauf, den Herrn, euren Gott, zu suchen.
Ihn können wir täglich neu suchen. Er will uns Halt geben mitten in dieser unsicheren Zeit. Und er will uns Hoffnung auf Leben und Zukunft schenken.
Und unsere Suche wird erfolgreich sein. Denn Jesus selber hat einmal gesagt: Suchet, so werdet ihr finden! (Matthäus 7,7b)
Ja, Gott lässt sich finden. Er ist ganz nahe bei uns, nur ein Gebet weit entfernt! Machen wir uns doch ganz neu auf die Suche!
Ihr Pfarrer Wolfgang Heidenreich aus Mistelbach
Mo 27.04.2020 | Der Prophet Elia | Pfarrerin Andrea Nehring
Nun ist schon wieder eine Woche ins Land gegangen. Die Zeit vergeht auf seltsame Weise doch, obwohl sie stillzustehen scheint, zumindest bei all denen, die nicht arbeiten dürfen und zuhause sind. Viele macht es unendlich müde. Deshalb habe ich heute für Sie eine Geschichte aus der Bibel ausgesucht, bei der auch jemand unendlich müde ist: Der Prophet Elia (1.Kön 19)
Der Prophet hatte vollen Einsatz gegeben, um dem Volk zu beweisen, dass unser Gott der wahre Gott ist, der lebendige. Er hat in einem riesigen Schauspiel den Gott Baal und seine Götzen übel entlarvt als ausgedachte Götter ohne Macht und Kraft. Es war ein riesiger Sieg, ein großes Wunder. Und doch war die Königin nicht zum Glauben gekommen, sondern hat ihm Rache gedroht. Nichts hatte sich verändert.
Und jetzt war er müde, so müde. Er ging in die Wüste, setzte sich unter einen Wachholderbaum und sagte: Es ist genug. So nimm nun, Herr, meine Seele. Und dann legte er sich hin und schlief ein.
Elia erinnert mich an einen sehr alten Herrn, den ich einmal besuchte. Er war auch des Lebens so müde. Ganz verzweifelt war er. Während meines Besuchs sagte er zu mir: Frau Pfarrer, ich will jetzt sterben. Jetzt sofort. Und dann rutschte er von seinem Sessel und glitt zu Boden. Dort schloss er die Augen. Ich sah erstaunt zu. Nach einigen Sekunden sagte ich leise: Es funktioniert nicht. Da öffnete er die Augen und schüttelte deprimiert den Kopf. Wir mussten den Pfleger holen, damit er wieder zurück in den Sessel kam.
Es gibt so Momente, wo man einfach nicht mehr mag. Vielleicht ist man nicht gleich lebens-müde, aber doch zu müde, um sich vorstellen zu können, dass auch morgen wieder die Sonne aufgeht und ein neuer Tag kommt. So ein Tag war der Tag in der Wüste, als sich Elia nur noch auf den Boden legte und sagte: Es ist genug.
Die Geschichte des Elia geht weiter:
Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss. Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.
Wie automatisiert nimmt er das Essen an, er wundert sich nicht, wie es mitten in der Wüste plötzlich da zu liegen kommt, nimmt auch den Engel nicht wahr. Es ist genug.
Könnte es sein, dass auch bei Ihnen der Engel schon Brot und Wasser gebracht hat, Sie längst stärkt, während Sie noch immer nur müde sind? Vielleicht in Form eines Menschen, einer Nachricht, eines Telefonats, eines Briefes? Und Sie haben kurz gelächelt und dann ermattet die Augen wieder geschlossen?
Aber so schnell gibt Gott nicht auf.
Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
Nochmal wird Jona gestärkt. Und diesmal wirkt es Wunder: Er ist in der Lage, zu einem Ort zu gehen, an dem er Gott begegnen wird: Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb. Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht.
Dort in dieser Höhle wird ihm Gott begegnen, nicht wie Sturm und Erdbeben, sondern in einem „stillen sanften Säuseln“. Dieses Säuseln gibt ihm genug Kraft, zu überlegen, wie es weitergehen soll, jetzt, wo er nicht mehr diese Kampfkraft hat. Bei Elia ist es die Nachfolge, die er jetzt regelt. Er sucht einen Mann namens Elisa auf und „wirft ihm seinen Mantel über“. Er soll nach ihm der nächste Prophet werden.
Ich liebe diese Geschichte vom müden Elia. Sie zeigt mir, dass Gott seine Müdigkeit erkennt und auch akzeptiert. Gott fordert ihn nicht mehr heraus zu großen Aufgaben. Aber dennoch gibt er ihm Stärke, begegnet ihm persönlich, erfüllt sein Herz mit Glauben und Leben.
Der alte Herr ist damals tatsächlich auch nochmal aufgelebt. Ist wieder ins Fichtelgebirge gefahren, hat noch einmal den Reiseführer durch Bayreuth gegeben. Und ist dann in Frieden gestorben.
So müde du bist: Gottes Engel ist schon da und stärkt dich. Bei Elia waren es Wasser und Brot. Was ist es bei Ihnen, womit Sie Gott stärkt? Vielleicht haben Sie noch einen weiten Weg vor sich.
Gebet:
Ja, Gott, diese Corona-Zeit macht mich müde.
Jeder Tag ist gleich.
Ich vermisse Menschen. Meine Familie, meine Verwandten, meine Freunde.
Ich vermisse Feste und Feiern, fröhliches Lachen bei einem Sonntagsessen.
Aber dein Engel hat mein Zimmer schon betreten.
Hat Brot und Wasser, Speise für Leib und Seele schon abgelegt.
Öffne mir die Augen, dass ihn wahrnehmen kann.
Stärke meine Seele, dass ich mich aufmache um dir zu begegnen.
Du bist mein Gott. Du hältst mein Leben in der Hand. Amen.
Ich wünsche Ihnen eine Woche mit Stärkung von Engeln!
Ihre Pfarrerin Andrea Nehring
So 26.04.2020 | Ich glaube | Pfarrer Hannes Schott
Heute wäre bei uns in der Kirchengemeinde Lutherkirche Bayreuth Konfirmation - wie auch in vielen anderen Gemeinden an diesem oder den angrenzenden Wochenenden Konfirmation gefeiert werden würde! Ja, „würde“, denn alle Konfirmationen sind erstmal verschoben.
Da will ich die Konfis selber zu Wort kommen lassen, denn sie haben einmal ein eigenes Glaubensbekenntnis verfasst.
Es tut mir selber gut, es gerade zu lesen:
Ich glaube an Gott,
dass er immer für uns da ist, egal in welcher Lebenssituation man steckt.
Man kann mit ihm gut reden, egal was man getan hat.
Ich glaube an ihn,
der uns unsere Fehler verzeiht
und uns nach dem Tod im Himmel aufnimmt.
Ich glaube an Jesus, der für uns gestorben ist. Ich bin dankbar, dass er mich immer unterstützt.
Ich glaube an den heiligen Geist, der immer um mich herum ist und immer auf uns aufpasst.
Ich glaube an die Kirche, in der ich immer Zuflucht finde,
in der ich mich geborgen und beschützt fühle.
Amen
Beim Thema „Glaubensbekenntnis“ haben meine Konfis und ich auch ausgiebig über den Heiligen Geist, diskutiert, was der denn so ist.
Und da kamen wir dann gemeinsam zur Erkenntnis: das ist sowas wie Kraft Gottes, seine Energie, die unser Leben leitet und beeinflusst. Und womit er uns immer wieder Kraft, Mut und Hoffnung schenkt.
Es tut weh, dass gerade viele lange vorbereitete Feiern wie Konfirmationen auf ungewiss verschoben werden. Aber es tröstet, zu wissen, dass Gottes Geist unter uns wirksam ist und sicher dafür sorgt, dass wir diese Feste irgendwann voller Freude nachholen können.
Werden oder bleiben Sie gesund!
Ihr
Pfr. Hannes Schott
Sa 25.04.2020 | Beichte – be ich te – ich be te | Pfarrer Otto Guggemos
In Heinersreuth beginnt heute das traditionelle Konfirmationswochenende. Natürlich ist alles abgesagt. Meine Tochter wäre auch dabei. Wir haben den Braten auf die Gefriertruhen der Verwandtschaft aufgeteilt und freuen uns darauf, die Konfirmation mit ihren Freunden und Verwandten zu feiern, wenn die Zeiten sich gebessert haben.
Das Konfirmationswochenende beginnt mit der Beichte. Am Vorabend der Konfirmation kommen die Jugendlichen zusammen, um hinter sich zu lassen, was ihnen ein schlechtes Gewissen macht oder sie belastet. Sie schauen ihr bisheriges Leben kritisch an und überlegen sich, was sie anders machen wollen. Vor ihnen liegt das Leben.
Ich denke, das ist eine gute Sitte. Sein eigenes Leben kritisch unter die Lupe zu nehmen, nicht ständig, das macht mürbe, aber ab und zu, das tut uns allen gut. Und das im Lichte der Gnade Gottes, das macht gnädig mit sich selbst. Und wer gnädig mit sich selbst ist, der wird vielleicht auch ein bisschen gnädiger mit seinem Mitmenschen.
Die Beichte ist ein fröhliches Fest: Ich muss meine Fehler nicht verstecken, wenigstens vor Gott nicht. Ich darf ich selbst sein, mit allen Schwächen und Fehlern, aber ich muss nicht so bleiben wie ich bin, ich darf so werden, wie Gott mich geschaffen hat, ein Segen für die Welt.
Gibt es etwas, was Ihr Gewissen belastet? Gottes Gnade ist nur ein Gebet weit entfernt von Ihnen, sagen Sie es Ihm!
Ihr Pfarrer Otto Guggemos
Fr 24.04.2020 | "Corona-Jesus" (Lady Be) | Pfarrer Armin Ehresmann
Zu allen Zeiten haben Krisenzeiten Menschen kreativ angeregt. Dafür mag das beigefügte Bild ein Beispiel sein. Geschaffen hat es die Mosaikkünstlerin Lady Be. Aus einer Vielzahl an zerkleinerten Plastikteilen hat sie einen „Corona-Jesus“ zusammengesetzt. Bei Lady Be trägt Jesus aber keine Dornenkrone, sondern eine mikroskopische Darstellung des Corona-Virus.
Für Lady Be ist ihr Bild mit einem Bußruf verknüpft – doch das ist nicht ungewöhnlich in der aktuellen Lage. Krankheitszeiten sind immer Anlässe, das eigene Leben und das eigene Verhalten zu überdenken.
Ein anderer Aspekt soll herausgegriffen werden: Diese Darstellung dieses „Corona-Jesus“ reiht sich in eine lange Tradition ein. Als beispielsweise im Mittelalter die Pest in Europa wütete, hat man damals Kruzifixe hergestellt, die Jesus mit den Symptomen dieser Krankheit zeigten.
Warum tat man dies?
Den mittelalterlichen Künstlern ging es natürlich genauso um Buße.
Dass man aber den Christus am Kreuz von Krankheiten gezeichnet darstellte, hängt aber auch mit der besonderen Konstellation dieser Feiertage zusammen.
Die Römer hatten Jesus als Aufrührer wahrgenommen und wollten ihn durch die Hinrichtung am Kreuz aus dem Weg räumen. An Karfreitag stirbt Jesus, sein irdischer Weg und sein Leiden gehen zu Ende. Jesu Leidensweg wird in der Passionszeit bedacht. Der Lebenswandel ändert sich. Darum wird seit jeher in diesen Tagen gefastet und verzichtet. Aber dabei bleibt es nicht.
Am dritten Tag, an Ostern, steht Jesus von den Toten auf.
Der Tod hat somit nicht das letzte Wort.
Das Leiden ist somit nicht der Schlusspunkt.
Sondern: Die Auferstehung überwindet dies alles und setzt einen Neuanfang.
Wenn Christen also Krankheiten am irdischen Jesus darstellen, bringen sie auch die Hoffnung zum Ausdruck, dass diese ein Ende nehmen und ein Neuanfang möglich wird.
So steht die Osterzeit für Ende und Neubeginn.
Sie steht dafür, dass schlimme Dinge geschehen können, diese aber nie das letzte Wort haben.
Sie steht für neue Hoffnung und neue Perspektiven.
Die Corona-Krise führt nicht wenige Menschen in gesundheitliche, berufliche und wirtschaftliche Ängste und Abschiede.
Mit Ostern hoffen und vertrauen wir, dass aber nicht diese, sondern neue Perspektiven das letzte Wort haben, sich neue Wege auftun und neue Kraft und Kreativität entfalten.
Do 23.04.2020 | Stark sein - stark bleiben | Pfarrer Edmund Grömer
Letztes Wochenende stand in Bindlach eigentlich das Fest der Konfirmation auf dem Plan. 28 junge Damen und Herren sollten eingesegnet werden. Konfirmiert. Bestärkt im Glauben, in den hinein sie getauft worden waren. Doch dieser Plan wurde zunichte.
Das ist nicht der einzige Plan, der dieser Tage zunichte wurde: Da ist der Ärger darüber, dass unser Alltag verrückt spielt, dass wir bis auf weiteres mit massiven Einschränkungen in gewohnte persönliche Freiheiten leben müssen; über das Osterfest mit angezogener Handbremse; den Frühlingsanfang ohne Frühlingserwachen; den geplatzten Urlaub; den abgesagten Geburtstag ...
Da ist aber auch Angst und Sorge: Was wird werden? Mit mir? Mit uns? Mit unsrem Land? Mit unsrer Welt? Was wird mit meiner Arbeit? Was wird mit meiner Familie? Werde ich, werden wir gesund, ja am Leben bleiben? - Fragen, auf die kein Fachmann eine befriedigende Antwort finden kann.
Es heißt: „Not lehrt beten.“ An diesem Satz ist etwas Wahres. Und ich habe es so noch nie wahrgenommen. Menschen, die bisher dem Glauben und der Frage nach Innerlichkeit eher kühl, reserviert oder gar ablehnend gegenüber standen, entdecken auf einmal das Gebet als Ausdruck für ihre Sorgen, Nöte, Sehnsüchte, Bitten, Hoffnungen. Suchen Plätze auf, die sie zur Ruhe bringen, mit Ruhe empfangen. Und spüren Tiefen, Strukturen und Dimensionen des Lebens nach, die bisher verborgen, verschüttet oder verneint waren.
Vielleicht haben wir unter diesen Vorzeichen dieser Tage doch Konfirmation. Eine confirmatio, eine Bestärkung darin, dass das Leben mehr ist als Ruhm und Ehre, als Geld und Gut. Dass es eingebettet ist in die ewige Dreiheit von Glaube, Hoffnung und Liebe. Und dass am Ende nicht die Fachleute das Sagen haben – sondern nur einer: Gott!
Der gebe euch nun die Kraft und die Stärke das, was noch kommt und kommen muss, auszuhalten. Der bestärke euch in der Liebe: Wir brauchen einander! In der Hoffnung: Diese unselige Zeit wird nicht ewig währen! Im Glauben: Wir kommen von Ostern – dem Fest des neuen Lebens, das aus Not, Tod und Verzweiflung geboren wird!
Und ein jeder von uns sage: „Meine Stärke, zu dir will ich mich halten; denn Gott ist mein Schutz.“ (Ps 59,10)
Edmund Grömer, Pfr.
Mi 22.04.2020 | Gottes bunter Garten | Pfarrer Frieder Jehnes
„Lobe den Herren, der alles so herrlich regiert“: Kann man das noch singen, wenn eine unsichtbare Bedrohung so viele Menschenleben gefährdet oder sogar zerstört? Oder, mit einem Kinderlied: „Kunterbunt hat Gott die Schöpfung gemacht – und dabei selber bestimmt oft gelacht: Winzig das Würmchen und riesig den Wal, witzig den Affen und glitschig den Aal“. Aber das Virus ist nicht witzig. Gehört es trotzdem in „Gottes bunten Garten“? Eine beunruhigende Frage. Eine Frage, die eigentlich nicht neu ist, aber gerne verdrängt wird. Letztlich geht es darum, ob man heute noch guten Gewissens an Gott glauben kann oder nicht. Jedenfalls, wenn es um den Gott geht, von dem die Bibel sagt, er sei die Liebe.
Ausgerechnet ein atheistischer Philosoph, Slavoj Žižek, brachte in einem Beitrag für die Neue Zürcher Zeitung am 13. März einen Gedanken, der mir ermöglicht hat, die Frage nicht lieber wegzuschieben, ob auch ein Virus etwas mit Gottes Schöpferhandeln zu tun haben könnte. In der Mitte dieses Beitrages, der dann im Rahmen eines evolutionsbiologischen Denkens leider völlig kalt, menschenverachtend und gottlos endet, findet sich folgende Überlegung:
„Das Leben wird, selbst wenn es am Ende wieder zur Normalität zurückkehrt, auf andere Weise normal sein, als wir es vor dem Ausbruch gewohnt waren. Dinge, die wir gewöhnlich als Teil unseres Alltags erlebt haben, werden nicht mehr als normal gelten; wir werden gelernt haben, ein weit zerbrechlicheres Leben mit ständigen Bedrohungen zu führen. Wir werden unsere gesamte Einstellung gegenüber dem Leben anpassen – gegenüber unserer Existenz als Lebewesen inmitten anderer Lebensformen.“ (Hervorhebungen durch mich)
Dem möchte ich weiter nachsinnen. Schon deshalb, weil wir doch in der Verbindung mit Jesus Christus wissen, welche Kraft das Zerbrechliche in sich trägt: die Kraft einer Hingabe und Liebe, die Leid und Tod überwindet! Deshalb können wir uns dem stellen, dass womöglich auch andere, zerstörerische Lebensformen Teil eines großen Ganzen sind. Unsere Aufgabe als gläubige Menschen ist es, dem, was Leben gefährdet oder zerstört, im Namen Jesu mit Mut und Liebe zu begegnen.
„Lobe den Herren, der alles so herrlich regiert“: Der Verfasser dieses bekannten und beliebten Liedes, Joachim Neander, blendete ja scheinbar alles aus, was das Leben verneint und zerstört. Er war ein begeisterter und begeisternder Freund der „kunterbunten Schöpfung Gottes“. Dabei wurde er nur 30 Jahre alt. Vermutlich starb er an der Pest. Er wusste sehr wohl um das, was in seiner Zeit das Leben gefährdet und zerstört hat.
Glauben heißt immer: In und mit Christus leben und deshalb trotzdem glauben und vertrauen.
Di 21.04.2020 | Schöne Spaziergänge | Pfarrer Martin Bachmann
Spätestens heute Abend bei den Nachrichten werden sie mich wieder einholen, die neuesten Zahlen der Infizierten und der Verstorbenen … und verbunden damit dann auch all die Fragen und – ja, ich gebe es zu – auch Ängste, wie es weitergehen wird, was noch alles kommt …
Aber jetzt ist noch lange nicht Abend. Es ist ein strahlend heller, sonniger Frühlingstag, wie so viele in diesem Jahr, und ich drehe, wie so oft in dieser Zeit, eine Runde um den Auensee im ehemaligen Landesgartenschaugelände. Und hier blüht und brummt und schnattert und piept das pralle Leben, das es eine wahre Freude ist. Rund um ein Stockentenpaar wuseln 10, oder sind es doch elf, winzige Küken. Bei den Graugänsen dagegen schwimmt der Nachwuchs in ordentlicher Linie zwischen Mama und Papa, so dass man ihn problemlos zählen kann: Bei diesem Paar sind es fünf Küken und drum herum schwimmen, landen, starten noch jede Menge andere Wasservögel. Ich sehe etliche Kanadagänse, Lachmöwen, Blesshühner, kleine Reiherenten und auch ein, für unsere Region eher ungewöhnliches, kupferfarbenes Rostganspaar. Heute entdecke ich keinen Graureiher, vielleicht ist ihm der Trubel zu viel und er hat sich für seine Fischjagd einen ruhigeren Teich gesucht.
Warum ich Ihnen von diesem Spaziergang erzähle? Ganz einfach: Ich kann hier am Auensee ganz unmittelbar wahrnehmen, dass all dem zum Trotz, was uns im Moment bedrängt, der Segen, den Gott uns und der gesamten Schöpfung zugesagt hat, gerade nicht abgesagt ist. In all dem bunten, vielfältigen Leben, das sich da zeigt, entdecke ich: Gottes „Ja“ zu seinen Geschöpfen gilt und es bleibt in Kraft, auch in dieser Zeit.
„Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Die Zusage, die Gott den Menschen und der gesamten Schöpfung am Ende der Sintfluterzählung (Genesis 8, 22) gegeben hat, die gilt weiter, genauso, wie das Ja Gottes, das mir im Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi begegnet. Der Gott, der das Leben in all seiner Schönheit und Vielfalt schuf und es jeden Tag neu ins Dasein ruft und der Gott, der die Zerbrechlichkeit dieses Lebens, bis in die letzte Konsequenz mit seinen Geschöpfen geteilt hat, der hat nicht nur an einem längst vergangenen Ostermorgen gezeigt, dass am Ende das Leben siegt und die Liebe. Ich glaube fest, Gott will uns seine Liebe und Mut zum Leben an jedem neuen Tag in unser Leben einzeichnen, vielleicht ja bei einem Spaziergang am Auensee, aber hoffentlich auch noch am Abend, wenn wieder die neuesten Nachrichten kommen und mit ihnen auch wieder all‘ die Fragen und Ängste. Wir können sie wohl nicht so einfach wegwischen. Wir können uns aber mit ihnen dem anvertrauen, der die Auferstehung und das Leben ist. Er bleibt es, auch in diesen Zeiten und bis ans Ende aller Zeit.
Schöne Spaziergänge und Gottes Weggeleit wünscht Ihnen
Martin Bachmann, Pfarrer
Mo 20.04.2020 | Meinen Freunden | Pfarrer Hannes Schott
Diese Andacht widme ich meinen Freunden!
Meine Freunde, die ich – gerade in dieser Zeit - anrufen kann, wenn ich Hilfe brauche oder es mir mies geht – sogar nachts um drei.
Die ich in Ausnahmefällen mal vier Jahre nicht sehe, aber mit denen es ist, wie wenn keine Zeit vergangen wäre.
Die, in deren Gesellschaft ich normalerweise pures Glück verspüre, wenn ich sie treffe, mit ihnen lache, Karten spiele oder auch etwas ganz unkommunikatives mache wie einen Film schaue. Ich genieße einfach eure Gesellschaft und empfinde es als große Ehre und Freude, euch zu kennen. Und auch wenn wir jetzt gerade „nur“ telefonieren können oder unseren Zoom-Stammtisch: es ist mir sehr wichtig und es ist sehr schön mit euch!
Euch sei diese Andacht gewidmet – denn ohne euch wäre mein Leben deutlich schlechter.
Ein amerikanischer Schriftsteller hat einmal gesagt: „Ein Freund ist einer, der alles von dir weiß, und der dich trotzdem liebt.“ Da hat er recht!
Wenn ich mit euch, meine Freunde, zusammen bin, kann ich sein, wie ich bin. Ich muss mich nicht verstellen. Und ihr tragt mir meine Fehler nicht nach.
Wenn ich mit euch Zeit verbringe, kann ich meine manchmal ziemlich ausgelaugten Batterien wieder aufladen und ich zehre noch tagelang von unserer Begegnung!
Auch von Gott wird oft als unserem Freund gesprochen. Und er ist uns sogar jetzt nah, wenn wir unsere anderen Freunde nicht treffen dürfen.
Wenn ich mir Gott als einen Freund wie euch, meine Freunde, vorstelle - dann ist das vielleicht, das schönste Bild, das es von ihm gibt.
Euer
Pfarrer Hannes Schott
aus Meyernberg
So 19.04.2020 | Unterschätzt die Liebe nicht! | Pfarrer Martin Gundermann
„Social distance“ fällt uns allen schwer. Freunde dürfen wir nicht treffen, die Enkel können die Großeltern nicht in den Arm nehmen und auch der traditionelle Verwandtschaftsbesuch zu Ostern fiel aus.
Auf einer Nachrichtenseite wurde über zwei Liebende berichtet, die wegen der Maßnahmen gegen Covid-19 zur Zeit auch „social distance“ praktizieren müssen: Sie wohnt nämlich in Dänemark, er in Friesland.
Als nun die Grenze zwischen beiden Ländern dicht gemacht wurde, konnten sie nicht mehr so einfach treffen.
Jetzt lieben sich die beiden aber und wollen sich sehen, vielleicht auch berühren.
Da fanden sie folgende Lösung:
Jeder von ihnen fährt jeden Tag eine Strecke. Dann treffen sie sich am Zaun, der die beiden Länder trennt. Dort trinken sie Kaffee und Punsch – er in seinem Land, sie in ihrem. Und er hebt dann schon mal sein Glas und ruft: „Auf die Liebe“.
So geschieht es im Norden Deutschlands an der Grenze zu Dänemark, aber auch im Süden Deutschlands an der Grenze zur Schweiz wurde schon von Ähnlichem berichtet. Zwangsweise getrennte Liebende trafen sich auch dort am Zaun. - Inzwischen ist das allerdings nicht mehr möglich, die Schweiz hat auf ihrem Staatsgebiet einen weiteren Zaun errichtet.
Unterschätzt die Liebe nicht!
Sie kann alles besiegen; sprengt sogar Fesseln.
Vor allem die Fesseln innen, ums Herz. Und die Zäune außen.
Das wäre doch gelacht, sagen sich Liebende, wenn uns nichts einfiele gegen Mauern und Grenzen.
Gegen das, was uns trennt.
Dann fährt man eben auch mal eine längere Strecke zum Zaun und prostet sich dort zu.
Und zwar an jedem Tag, den der liebe Gott werden lässt.
Unterschätzt die Liebe nicht!
Sie missachtet und überwindet Fesseln, Zäune und Gräber.
Wie damals in Jerusalem.
Wir wissen nicht, wie Gott das gemacht hat mit der Auferstehung Jesu. Das müssen wir auch nicht wissen; es ist ein Geschehen, das der Größe und Macht Gottes vorbehalten ist.
Viel besser wissen wir aber, was die Auferstehung Jesu mit den Frauen und Männern gemacht hat:
Erst war ihr Erschrecken groß. Dann aber kommt sie wieder, die Liebe; erst mit einem leisen – später, nach immer mehr Gewissheit, auch mit lautem Jubel.
Und je größer die Freude wird, desto stärker wird die Liebe, stärker als je zuvor.
Bald darauf gehen sie in alle Welt, diese Frauen und Männer um Jesus, und sagen überall, was nun Sache ist:
Unterschätzt die Liebe nicht, diese „Himmelsmacht“. Sie kann Ketten und Zäune sprengen.
Vor allem kann sie die „Beschränkungen“ und „Lähmungen“ in uns lösen, in unseren Herzen.
Sie macht Menschen aus uns, die viel Phantasie und Ideen entwickeln, wenn es um Liebe geht –
auch um Mitgefühl und Fürsorge für sich und andere.
Deshalb: Unterschätzt die Liebe nicht. Ihr gehört die Welt.
„Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ 1. Johannes 4,16b
Ein „Mutmachlied“, das die Gedanken dieser Andacht aus der Reihe der „kleinen Mutmacher“ fortführt, stammt von dem Laufer Pfarrer Thomas Hofmann: „Nein, Nicht Corona gehört die Welt …“
Hören sie doch mal rein.
Sa 18.04.2020 | Sehnsucht | Pfarrerin Angela Smart
Seit Karfreitag ist die Eckersdorfer Kirche geöffnet. Früh am Morgen schließe ich sie auf. Öffne alle Türen und lüfte, räume ein bisschen rum und setzte mich dann für ein paar Augenblicke in die Kirchenbank. Still ist es hier. Und menschenleer.
Gestern überkam mich dabei eine ganz große Sehnsucht. Ich sehne mich nach Menschen, die sich neben mich setzen in der Kirche. Ich sehne mich nach Orgelmusik "live" und danach, dass ich mit anderen die alten und neuen Lieder singen darf. Ich sehne nach brennenden Altarkerzen und nach Paten, die die Taufkerzen ihrer Patenkinder anzünden. Ich habe Sehnsucht nach Gemeinde und Gemeinschaft, nach einem gemeinsam gesprochenen Vaterunser, nach dem Händedruck und Ratsch an der Kirchentür. Ich sehne mich danach, Gott zusammen mit anderen zu suchen, zu bedenken und zu feiern.
Der Mensch, der den Psalm 63 geschrieben hat, rührt meine Seele an in meiner großen Sehnsucht.
Gott, du bist mein Gott, den ich suche.
Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Leib verlangt nach dir aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist.
So schaue ich aus nach dir in deinem Heiligtum, wollte gerne sehen deine Macht und Herrlichkeit.
Denn deine Güte ist besser als Leben; meine Lippen preisen dich.
So will ich dich loben mein Leben lang und meine Hände in deinem Namen aufheben.
Das ist meines Herzens Freude und Wonne, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann;
wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.
Denn du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.
Meine Seele hängt an dir; deine rechte Hand hält mich. (Psalm 63,1-9)
Fr 17.04.2020 | “Ein fröhliche Auferstehung” | Pfarrer Ekehard de Fallois
Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?
Er ist nicht hier, er ist auferstanden. (Lukas 24, 5-6)
Ab wann ist eigentlich Ostern? Für den einen wird es Ostern, wenn die Osterkerze in die dunkle Kirche hineingetragen wird, für den anderen, wenn die Kirchenglocken zum ersten Mal nach dem Karfreitag ihr volles Geläut ertönen lassen, für die Kinder, wenn sie ausschwärmen die versteckten Ostereier zu suchen. Für mich wird endgültig Ostern bei einem musikalischen Höhepunkt der Osternacht, bei dem ich jedes Jahr Gänsehaut bekomme, wenn nämlich Posaunenchor und Orgel im Wechsel die großartige Fanfare von Walther Haffner zum ältesten deutschsprachigen Kirchenlied “Christ ist erstanden” (EG 99) anstimmen mit ihren Dissonanzen und schrägen Tönen und vielstimmigen Clustern, die in einem gewaltigen harmonischen Schlussakkord enden, bevor der eigentliche kraftvolle Choral beginnt (zu hören auf der Homepage der Kirchengemeinde Gesees von Marko Zdralek an der Orgel zum Ostersonntag). Da jagt es mir regelmäßig Schauer über den Rücken. Martin Luther hat zu der Grundmelodie noch zusätzlich einen 7-strophigen Choral “Christ lag in Todesbanden” (EG 101) komponiert. Dabei war Luther kein ausgesprochen österlicher Theologe, auch wenn er sich das Ostergeschehen in Jerusalem und auch seine eigene Auferstehung sicher ganz real und konkret und körperlich vorgestellt hatte. Für ihn stand der Karfreitag mit dem Kreuz Jesu im Zentrum seiner Kreuzes-Theologie, weniger Ostern mit dem leeren Grab und dem auferstandenen Christus. In dem gekreuzigten Christus liegt die wahre Theologie und Erkenntnis Gottes. Diese Meinung vertrat er im Jahr 1518 bei einer Disputation in Heidelberg, ein Jahr nach nach dem reformatorischen Durchbruch. Die Wertschätzung des Karfreitags gegenüber Ostern zieht sich durch viele seiner Schriften und beeinflusste natürlich auch die lutherische Frömmigkeit. Für manche sogenannte “Karfreitagschristen” ist dieser Tag bis heute der höchste protestantische Feiertag. Man kennt ja z.B. auch Johann Sebastian Bachs Johannes- und Matthäus-Passion mit ihrer ergreifenden Musik, aber sein Oster-Oratorium wird nur selten aufgeführt, das auf die liturgische Darstellung des Osterlaufes und des Osterlachens zurückgreift, so wie man es aus dem Mittelalter kannte.
Im Zentrum der lutherischen Rechtfertigungslehre stand nun mal das Kreuz und nicht das leere Grab. Am Kreuz sind Heil und Erlösung ganz und gar vollbracht. Von einer ansteckenden Fröhlichkeit des Osterfestes und einer fröhlichen Glaubenspraxis und Lebensführung hören wir deshalb nur wenig. Das passt auch ein wenig zu vielen wunderbaren Karfreitagspredigten, die mit den tiefsten Worten unsere Karfreitagswelt beschreiben - da kennen wir uns schließlich aus -, aber in den Osterpredigten dann seltsam dürr und blutleer daherkommen.
Da ist dann kaum etwas zu hören von der Aufschrift auf dem schönen Epitaph der Familie von Heerdegen vom Culmberg mit seinem Auferstehungsbild auf der Rückseite des Altars in der Kirche St. Marien zum Gesees:
"Nach Christi Gepurt 1539 jar verschied in Gott der Edel und Ehrenvest Nicolaus Heerdegen uffm Kulmperg, dieser zeyt Amtmann zu Streitperg. Nach In Anno 1556 verschied in Gott sein christliche hausfrau die Edle und Tugendhaft Fraw Geporne von Kotzaw. Gott verleihe Inen Ein Fröhliche Auferstehung. AMEN."
Ist das nicht am Ende ein köstlich frommer Wunsch? Bei so viel Edelmut und Tugendhaftigkeit, kann man sich dem nur anschließen! Sicher haben die Angehörigen im 16. Jahrhundert auch getrauert, aber die Perspektive war anders: Man freute sich mitten im Leben auf eine kommende Auferstehung, und die war durch und durch fröhlich. Die Menschen lebten mit Gottes Ewigkeit. Diese Gelassenheit und Zuversicht, diese österliche Grundfröhlichkeit und Vorfreude wünsch’ ich uns allen in Corona-Zeiten!
Do 16.04.2020 | Gedankenübertragung | Pfarrerin Stephanie Lauterbach
Gedankenübertragung gibt es wirklich. Ein Telefonat mit Frau B. gestern hat es mir wieder einmal bestätigt: Sie hatte kürzlich Geburtstag und weil Besuche derzeit tabu sind, rief ich sie an, um zu gratulieren. Wie sie ihr Wiegenfest verbracht habe, wollte ich von ihr wissen. Die ursprünglich geplante große Feier habe sie natürlich abgesagt. Ob sie jetzt sehr enttäuscht sei, fragte ich sie. „Nein“, antwortete Frau B. „ich weiß ja, dass wir aneinander denken.“
Dass Menschen an sie denken merke sie daran, dass vor ihrer Haustür Blümchen stehen an ihrem Geburtstag und Karten im Briefkasten sind.
Dass Menschen an Sie denken, wisse sie auch deswegen so genau, weil sie das Licht sehen könne, das die Nachbarin jeden Abend um 21 Uhr ins Fenster stelle. Sie stelle auch immer eins hin.
Sie wisse es auch, weil sie die Kirchenglocken immer wieder höre, früh um sechs, mittags um 12 und abends um 18 Uhr. Die läuten ja nicht als Zeitansage, sondern um an die Gebetszeiten zu erinnern. Und sie sei sicher, dass etliche Menschen dann kurz innehalten und beten. Sie mache das auch und bete für andere.
Und dann habe sie auch die Regenbögen in den Fenstern gesehen, die die Kinder gemalt haben und einen ganz besonders schönen und großen gibt es ja in Weidenberg sogar in einer Hofeinfahrt, an der sie immer wieder vorbei läuft auf dem Weg zum Bäcker. Da spüre sie, dass Menschen im Ort auch ihr Mut machen wollen.
Dass sie nicht allein sei, das wisse sie auch, weil sie abends um 19 Uhr schon Leute „Der Mond ist aufgegangen“ habe singen hören.
Sie sähe es, wenn sie in die offene Kirche geht und auf dem Leuchter brennende Kerzen stehen und an der Pinnwand Zettel mit Gebeten hängen.
Und all das tue ihr wirklich gut. Das trägt sie. Allein das Wissen, dass andere an sie denken. Und vor allem das Wissen, dass andere für sie beten.
Sicher, die Sehnsucht danach, endlich wieder die Menschen, die ihr wichtig sind, persönlich zu sehen, die sei schon groß. Und die Geburtstagsfeier werde irgendwann auch nachgeholt. Aber dennoch: So getragen wie jetzt habe sie sich noch nie gefühlt. Getragen von guten Gedanken. Getragen von Zeichen der Hoffnung, von Zeichen der Verbundenheit. Getragen vor allem vom Gebet anderer Menschen. Denn damit würden die Gedanken nicht nur auf sie, sondern auch auf Gott übertragen. Und was Gott übertragen wird, das trägt Gott mit.
Mi 15.04.2020 | Von der Lieblichkeit des Gottvertrauens | Pfarrer Elmar Croner
Liebe Mitchristen, viel ist in dieser so schweren, unheimlich anmutenden Zeit von Geduld und Gottvertrauen die Rede. Doch wird mit Sicherheit so mancher sich auch leise Zweifel eingestehen müssen, ob das mit dem Gottvertrauen wirklich hilfreich ist – angesichts von schon so viel wegen des Coronaviruses Verstorbenen. Ich möchte Ihnen dennoch Mut machen mit einer Geschichte des amerikanischen Schriftstellers William Saroyan, in der es gerade darum geht:
Vor langer Zeit geriet ein Zimmermann in eine entsetzliche Lage. In seiner Not vertraute er sich einem Freund an und erzählte: "Bis morgen früh muss ich dem König elftausendeinhundertelf Pfund Sägemehl aus Hartholzliefern. Wenn ich das nicht schaffe, werde ich enthauptet." Der Freund legte seinen Arm um ihn und sagte: "Mein Freund, sei leichten Herzens. Lass uns essen und trinken und den morgigen Tag vergessen. Der barmherzige Gott wird für uns einen guten Plan haben. Vertrauen wir ihm!"
Und so gingen sie in das Haus des Zimmermanns, wo sie dessen Familie in Tränen aufgelöst antrafen. Den Tränen wurde aber Einhalt geboten durch Essen, Trinken, Reden, Singen und Tanzen und allsonstige Weise von Gottvertrauen. Nach einer Zeit aber fing seine Frau wieder das Weinen an und klagte: "Wie kannst du nur so fröhlich sein, obwohl du weißt, dass du morgen sterben musst". "Denke an Gott" – sagte der Zimmermann, und der Gottesdienst ging weiter. Als der Morgen graute, klopften Diener des Königs sachte an der Tür, voller Todesangst öffnete der Handwerker sie. "Zimmermann" - sagten sie, "der König ist tot. Mache ihm einen Sarg!"
Ist es naiv, so zu denken und handeln wie diese zwei Männer? Natürlich sollten wir alle gebotenen Vorsichtsmaßnahmen einhalten, aber doch nie vergessen, dass unsere Seele die Zuversicht braucht, die uns nur Gott schenken kann. Und das bedeutet: Der gütige Gott kennt Auswege für uns, auch wenn sie für uns unvorhersehbar sind. Und diese Auswege sind weiß Gott nicht immer frei von allerlei Lasten, aber sie führen zu einem guten Ziel. Das ist meine Gewissheit.
Halten wir es mit den Worten Jesu: "Darum sorget nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat."
Di 14.04.2020 | Zeugen der Auferstehung | Pfarrer Hannes Schott
Wer schon einmal in Jerusalem war, der weiß: dort kann man die Grabeskirche besichtigen!
Und als Höhepunkt kann man sich den Ort anschauen, von dem gesagt wird, er wäre das leere Grab Jesu!
Ob das historisch so stimmt, ist ziemlich umstritten.
Aber Christinnen und Christen pilgern jedes Jahr dorthin.
Was wollen sie sehen? Das Grab Jesu.
Was können sie dann zuhause erzählen? "Stimmt, da liegt gar kaaner mehr drinnen!"
Ja, wo isser denn jetzt?
Der Engel am leeren Grab erklärt: "Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt."
Galiläa ist die Gegend, wo alles begonnen hat.
Der Engel könnte auch sagen "Dahaam werdet ihr den Auferstandenen finden!" Nicht am leeren Grab.
Und das haben dann auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu erlebt.
Mit Jesus war für sie alles, woran sie geglaubt hatten, gestorben.
Aber für sie wurde Ostern, sie begegnen dem Auferstandenen.
Bei ihnen dahaam. Und sie haben erkannt: Das, wofür er stand, das ist nicht vorbei.
Und dazu das größte Wunder: der Tod ist besiegt. Das, was Jesus selbst verkündigt hat, dass wir nach dem Tod das ewige Leben erwarten dürfen, es ist eingetreten!
Die Jüngerinnen und Jünger sind begeistert, ihr Leben ist verändert, sie bekommen Hoffnung und Mut!
Und das ist nicht nur damals passiert, das passiert immer wieder!
Nach dem Ostergottesdienst sagte mal ein nicht mehr ganz junger Gottesdienstbesucher zu mir: "Ich glaub, ich hab jetzt erst verstanden, dass Auferstehung nichts fernes Jenseitiges ist, sondern für uns auch jetzt gilt!"
Genau so ist es!
Nicht am leeren Grab wird es Ostern, sondern bei jedem Christin und jeder Christin dahaam.
Das habe ich schon erlebt – und Sie hoffentlich auch. Auch wenn wir gerade keine Gottesdienste feiern, können wir Auferstehung erleben – bei uns dahaam. Und auch unsere Welt wird nach dieser Corona-Krise wieder auferstehen.
Es ist übrigens nichts dagegen zu sagen, dass Sie die Grabeskirche in Jerusalem besichtigen – Israel ist immer eine Reise wert und die Grabeskirche finde ich ziemlich skurril.
Aber Jesus, den Auferstandenen, werden Sie dort nicht finden.
"Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt."
Geht in eure Heimat, geht in euren Alltag, geht in euer Leben. Geht haam!
Dort, so ist uns verheißen, werden wir dem auferstandenen Jesus begegnen.
Ich wünsche Ihnen eine frohe und gesegnete Osterzeit mit möglichst vielen Auferstehungserfahrungen – bei Ihnen dahaam oder wo immer Sie auch sind,
Ihr Pfarrer Hannes Schott
Mo 13.04.2020 | Zeugen der Auferstehung | Pfarrer Michael Sonnenstatter
Ein Lied aus unserem Evangelischen Gesangbuch scheint mir für das Osterfest in diesem Jahr der Corona-Pandemie besonders zu passen. "Ich hör die Botschaft Jesus lebt. Doch seh ich nur die Welt erbebt, weil Krankheit herrscht und Tod und Krieg. Wo find ich Jesu Ostersieg. Herr, steh mir bei." Friedrich Hoffmann hat 1985 diesen Text zur Melodie "Erschienen ist der herrlich Tag" von Nikolaus Hermann aus dem 16. Jahrhundert geschrieben.
"Ich hör die Botschaft Jesus lebt. Doch seh ich nur die Welt erbebt..." Dieser Text bringt die österliche Widersprüchlichkeit und Ambivalenz zum Ausdruck, die es gerade jetzt auszuhalten gilt. Auf der einen Seite die Osterbotschaft mit dem Jubelruf: "Der Herr ist auferstanden. Halleluja! Jesus lebt. Der Tod hat keine Macht über ihn. Das Leben, nicht der Tod hat das letzte Wort." Auf der anderen Seite die Erfahrung, dass die Welt ist, wie sie ist, mit Krankheit und Tod, Gewalt und Not.
Wie kann die Erfahrung der biblischen Zeugen von Jesu Auferstehung zu neuem Leben zu meiner Erfahrung werden? Mir hilft es, wenn ich auf Menschen schaue, die mit der Art und Weise wie sie reden und handeln Hoffnung in diese Welt bringen, die etwas von dem Auferstandenen, von neuem Leben, von Neuanfang gegen die totbringenden Zusammenhänge dieser Welt setzen.
Ich denke z.B. an die Kinder und Erwachsenen, die sich trotz des todbringenden Virus ihren Glauben nicht erschüttern lassen und die österliche Frohbotschaft am frühen Ostersonntag still und heimlich vor ihren Wohnungen und Häusern mit bunter Malkreide auf die Straßen schreiben und mit diesem #osterflashmob ein Zeichen setzen für den Sieg des Lebens über den Tod.
Welche Menschen kommen Ihnen in den Sinn, die da und dort durch ihr Reden und Handeln Zeichen setzen für den Sieg des Lebens über den Tod? Wir können solche Boten und Zeugen der Auferstehung finden, wenn wir bereit sind, sie als solche anzusehen.
Diese Erfahrung hat auch Friedrich Hoffmann gemacht, denn in der letzten Strophe schreibt er: "Ich hör die Botschaft: Jesus lebt. Ihr Boten, die ihr Hoffnung gebt, führt mich zum Auferstandnen hin, dass ich bei ihm geborgen bin. Herr steh mir bei."
So 12.04.2020 | Soziale Distanz | Pfarrer Dr. Carsten Brall
Soziale Distanz ist das Gebot der Stunde. Mit einem Augenzwinkern tauchen in diesen Tagen bekannte Bilder auf, die den Regeln des „Social distancing“ angepasst wurden. Sie nehmen den Ernst der Lage mit österlicher Leichtigkeit auf. Eine an die aktuellen Regeln angepasste Version von Michelangelos „Erschaffung Adams“ erscheint hier in einer ganz neuen Perspektive.
Als Michelangelo es vor über 500 Jahren das Original malte bewegte es die Menschen. Der Blickfang des Bildes sind dabei die beiden benachbarten Hände, die eine innige Beziehung zueinander zeigen. Schöpfer und Geschöpf sind einander ganz nah. Das Bild von Michelangelo zeigt die Situation fast märchenhaft, wie vor langer Zeit in einem weit entfernten Land.
Im ‚Osterkapitel‘ des 1. Korintherbriefs erzählt Paulus davon, dass dieses Idyll gestört wurde. Der ach so schöne und ideale Adam wurde der Mensch, durch den der Tod in die Welt kam. Die Geschichte ist bekannt. Adam ist ein Bild für den Menschen in seinem schwächsten Augenblick. Wer in der Sixtinischen Kapelle steht, sieht den ganzen Bilderzyklus von Michelangelo über die ersten Kapitel der Bibel und sieht, dass die Nähe zwischen Gott und Mensch kurz war. Die Fotomontage kommt dem, was Michelangelo insgesamt erzählt, sehr nahe.
Die kleine Verfremdung lässt mich auflachen: „So ist das Bild doch viel näher an der Wirklichkeit!“ Die Ehrlichkeit entlarvt. Sie befreit mich von einem falschen Bild. Wenn diese Wahrheit einmal ausgesprochen ist, wächst etwas neues: Die Sehnsucht nach Kontakt. Gott und Mensch gehören doch enger zusammen. In dieser Zeit heißt das auch: Ich möchte wieder in Kontakt mit den Menschen, die mich sonst begleiten.
Paulus schreibt in seinem Kapitel einen denkwürdigen Satz. Die Auferstehung Jesu ist geschehen, ‚auf dass Gott sei alles in allem‘. Nachdem die Lüge und der Tod am Karfreitag demaskiert wurden, atme ich an Ostern frei auf. Gott überschreitet Grenzen. Auch wenn wir ihn nicht sehen ist er da. Was für eine großartige Geschichte für unsere Zeit! Wir können uns nah sein, obwohl wir uns nicht gegenüberstehen.
Dieses Ostern feiere ich anders als sonst. Mein Bild von Nähe und Distanz hat sich verändert. Wir werden unser Kaffeetrinken mit der Familie als Videokonferenz haben. Ich telefoniere mehr als sonst und wir schreiben Briefe. Ich freue mich auf eine Zeit, wenn Reisen wieder möglich ist. Und sollte ich später einmal nach Rom fahren und die Sixtinische Kapelle sehen, werde ich das Bild von Michelangelo anders sehen: mit einem Lachen und österlicher Freude!
Sa 11.04.2020 | Unsere Zuversicht | Pfarrerin Stefanie Krauß
„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ heißt es zur Zeit für viele besondere Gottesdienste, Veranstaltungen, Feste und Familien - Treffen. Für manche ist es kein Problem, dann eben nicht den 70., sondern den 71. Geburtstag besonders zu feiern. Familien finden es wertvoll, wenn die Konfirmation mit einem Gottesdienst mit Orgel, Chor und der ganzen großen Familie gefeiert werden kann und befürworten die Verschiebung. Auch der Patenbündel wird lieber zu einem späteren Zeitpunkt persönlich überreicht und miteinander ausgepackt, statt ihn vielleicht versteckt irgendwo mit Abstand zu deponieren. Es ist wertvoll, wenn wir mit dem Aufschub die Hoffnung und das Vertrauen verbinden können, dass es in einigermaßen absehbarer Zeit doch wieder die Chance geben wird, dass wir uns alle persönlich mit dem Menschen treffen können, die wir so sehr vermissen.
Manchmal schleicht sich aber auch die Angst ein, dass es doch noch endlos lange dauern wird, bis wir uns wieder normal mit Menschen treffen können. Manchmal sind wir unruhig, traurig oder genervt, weil es so unsicher ist wie lange wir noch isoliert sein müssen.
Hoffen und Bangen, Zuversicht und Angst, Vertrauen und Unsicherheit – scheinbar widersprüchliche Gefühle prägen im Moment unser Leben so intensiv, wie wohl kaum zuvor.
Mir wird in dieser Zeit besonders mein Konfirmationsspruch wichtig. Er schenkt uns Mut in diesen widersprüchlichen Zeiten:
„Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.
Darum fürchten wir uns nicht.“ (Psalm 46,2+3)
Möge er für Sie in dieser Zeit Zuversicht, Hoffnung, Halt oder auch Hilfe sein, wie er es immer wieder für mich ist. Gottes Segen Ihnen allen, und besonders allen Menschen, die in diesen Tagen einen besonderen Grund zum Feiern haben. Sie sind nicht allein.
Seien Sie behütet, Pfarrerin Stefanie Krauß
Fr 10.04.2020 | Friday For Future | Dekan Jürgen Hacker
Hand aufs Herz: Haben wir uns im vergangenen Jahr gefreut oder geärgert, als wöchentlich immer mehr v.a. junge Menschen unter dem Motto „Fridays for Future“ gegen die Zerstörung unseres Planeten auf die Straße gegangen sind?
Die schwedische Schülerin Greta Thunberg hatte die Bewegung ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, die Erde vor dem ökologischen Kollaps zu retten.
Ein wichtiges und sinnvolles Ziel.
Vor fast 2000 Jahren gab es schon einmal einen Friday for future – einen einzigen Freitag für die Zukunft. Damals ging es nicht um die Rettung unseres Planeten vor zu viel CO2-Ausstoß oder Plastikmüll.
Damals ging es um die Rettung aller Menschen aus Egoismus, Gottesferne, aus dem Verstrickt sein in Sünde und Schuld.
Am Karfreitag damals in Jerusalem ist Jesus selbst mit seinem Leben dafür eingetreten, dass wir Menschen eine gute Zukunft haben.
Karfreitag, Klagefreitag – der Tag erinnert uns an Jesus Sterben und an seinen Tod.
Er erinnert uns an Schmerz und Leid. Bis heute gibt es davon so viel auf unserer Welt, dass man fast verzweifeln möchte. Gerade angesichts der aktuellen Krise fragen viele Menschen: „Wo ist denn Gott?“
Jesus ist dem Leid und dem Tod nicht ausgewichen, sondern hat sie auf sich genommen – aus Liebe zu uns.
Ich wünsche mir und uns allen, dass wir aus diesem einen Friday for Future Hoffnung und Trost finden. Damit wir es schaffen, dem Leid zum Trotz zu leben und damit einen Weg finden, von den quälenden Fragen nach dem „Warum?“ hin zu der Hoffnung, die durch Jesu Tod am Kreuz entstehen kann.
Wir dürfen uns dabei festhalten, festklammern an Jesus, der das Leiden und den Tod genauso gut kennt wie wir. Von IHM schreibt der Evangelist Johannes:
„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
So wird dieser Karfreitag, der Klage- und Trauerfreitag, zum „Good Friday“, wie dieser Tag im englischen Sprachraum heißt: „Guter Freitag“
Was ist an Karfreitag gut?
Gott ist uns nahe in allen Situationen unseres menschlichen Lebens.
Er selbst weicht Krisensituationen nicht aus, sondern geht durch sie hindurch.
Er steht an unserer Seite.
Dies ist wirklich eine gute Botschaft an diesem „Good Friday“.
Seien Sie behütet an Leib und Seele,
Ihr Dekan Jürgen Hacker
Do 09.04.2020 | Passahmahl | Pfarrerin Stefanie Lauterbach
„Nächstes Jahr in Jerusalem!“
Mit diesen Worten endet der Sederabend. Das ist der erste Abend des jüdischen Passahfestes. Jedes Jahr feiern jüdische Familien dieses Fest. Es erinnert daran, dass Gott sie in die Freiheit geführt hat. Damals, als sie Sklaven in Ägypten waren und für den Pharao schuften mussten. Da berief Gott Mose und unter seiner Führung konnten sie das verhasste Leben in Knechtschaft verlassen. Nun waren sie frei – frei zu einem Leben mit Gott, der ihnen diese Freiheit geschenkt hatte.
Sicher – das Volk Israel hatten einen langen Weg vor sich. Durch die Wüste. Aber schließlich kamen sie an im „gelobten Land“ und feierten das Passahfest von nun an in Jerusalem.
Seither ist aber viel Zeit vergangen. Menschen jüdischen Glaubens leben in der ganzen Welt verstreut. Eine sehr leidvolle Geschichte hat dazu geführt. Aber das Passahfest wird weiter gefeiert. Denn sie sind ja keine Sklaven mehr, egal wo sie leben. Sie sind Volk Gottes. Und ihre Hoffnung ist: „Nächstes Jahr in Jerusalem.“
Ihren Sederabend, den Beginn des Passah, haben jüdische Familien übrigens gestern Abend, am 8. April gefeiert.
Warum ich das für heute, für den Gründonnerstag, schreibe?
Heute, am Gründonnerstag, erinnern sich Christen auf der ganzen Welt an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Und dieses Mahl war nichts anderes als ein Passahmahl! Jesus saß mit seinen Freunden zusammen und feierte die Befreiung aus der Sklaverei Ägyptens.
Und diese Botschaft, die zuerst die Israeliten hörten, die hat Jesus durch das Abendmahl auch uns Christen mitgegeben: Ihr seid keine Sklaven, ihr seid keine Gefangenen. So, wie über uns der Pharao nicht mehr herrscht, so herrscht über euch auch nicht ein Virus. Auch, wenn ihr jetzt in euren Häusern bleiben müsst – Sklaven seid ihr nicht, sondern Kinder Gottes. Und auf ihn dürft ihr vertrauen, und gewiss sein, dass Gott euch wieder in die Freiheit führen wird.
In den Kirchen können wir das heute nicht feiern. Aber zu Hause in den Familien uns an diese Geschichte erinnern. So, wie sich jüdische Familien an die Geschichte erinnern.
Familien jüdischen Glaubens schließen ihre Feier mit dem Satz „Nächstes Jahr in Jerusalem“. Und wir? Wir können unseren heuten Abend abschließen mit dem Satz: „Nächstes Jahr wieder in unserer Kirche.“ Ganz bestimmt.
Mi 08.04.2020 | Diamant-Hochzeit | Pfarrerin Angela Smart
Tag 24 der Kontaktsperre. Seit 16. März leben wir mit den Ausgangsbeschränkungen. Mein Kalender ist stehengeblieben in der Vor-Corona-Zeit. Deshalb steht da heute drin: Diamantene Hochzeit. Heute hätte ich also ein Ehepaar besucht, das vor 60 Jahren geheiratet hat.
Ich weiß nicht, wer auf die Idee gekommen ist, das 60. Jahr einer Ehe mit einem Diamanten zu verbinden. Aber mir gefällt es, dass Ehepaar nach 60 Jahren Zusammensein Diamanthochzeit oder diamantene Hochzeit feiern dürfen. Für mich deutet sich mit dem Wort „Diamant“ an: Bei dem Jubelehepaar ist etwas in einem langen gemeinsamen Prozess entstanden – wie der Diamant, der in den Tiefen unserer Gesteine über Jahrmillionen entsteht. In der jahrzehntelangen Ehe, die sie heute feiern, hat sich etwas bewährt und ist klar wie ein Diamantstein, der so klar und hart ist wie sonst kein natürliches Material auf unserer Erde. Da ist etwas kostbar geblieben in all den vielen Jahren, so wertvoll wie der Edelstein, der im Licht funkelt und glänzt.
„Schön, mit dir gemeinsam zu leben –
Gut! Wir sind uns in vielen Dingen einig.
Eigentlich gut, dass wir beide immer noch verschieden sind.
Wie gut, dass wir Freunde haben, die uns zur Seite stehen!
Nichts ist selbstverständlich, je älter ich werde.
En Lachen zu zweit, Gesundheit, der Schlaf, ein gemeinsam verbrachter Tag – ich nehme das nicht als stünde es mir zu. Ich nehme das alles ganz persönlich.“ Christoph Meckel
Wie werden die beiden heute ihre Diamanthochzeit begehen? Vielleicht schauen sie sich die Fotos von damals an, als sie sich am 8. April 1960 das Jawort gegeben haben? Vielleicht werden sie alleine zu zweit auf ihr Leben anstoßen? Ich werde auf alle Fälle nachher anrufen und gratulieren.
„Gott
Schenke euch viele Wege zueinander,
er fülle eure Tage mit Lachen,
und er sei mit euch,
auch in euren Traurigkeiten.
Er schenke euch den Mut zur Vergebung
und Worte und Taten des Glaubens.“ Aus Irland
Di 07.04.2020 | Wie die Träumenden | Pfarrer Simon Froben
Das wird schön sein, wenn wir uns wieder treffen können!
Das wird schön sein, wenn wir uns wieder direkt in die Augen schauen können.
Das wird schön sein, wenn wir uns wieder die Hände geben und einander umarmen können –
bestimmt umarme ich vor lauter Freude den einen oder die andere mehr als zuvor.
Das wird schön sein, wenn wir wieder gemeinsam Gebete sprechen und Lieder singen können –
gerne auch lauthals: Zu Gott rufen, was Kummer ist und was Dankbarkeit,
und den Mund voll nehmen mit zusammenklingender Freude.
Das wird schön sein, wenn wir uns wieder auf einen Kaffee zusammenhocken,
miteinander reden, lachen und wo es Not tut auch weinen können.
Das wird schön sein, wenn wir die wärmende Sonne wieder in vollen Zügen genießen
und die Kinder fröhlich auf dem Spielplatz spielen können.
Ja, es wird sogar schön sein,
wieder zur Schule oder zur Arbeit gehen zu dürfen – wer hätte das gedacht?
All das und vieles mehr, was uns bislang vertraut und selbstverständlich war,
werden wir ganz neu genießen, fast wie ein kleines Kind.
Das wird schön sein!
Und bis wir uns wiedersehen halten wir aus und durch.
Bis dahin leben wir in Quarantäne zwischen Hoffen und Bangen
Bis dahin telefonieren wir und chatten wir, halten Abstand, ‚social distance‘.
Unser Schreibtisch heißt jetzt ‚home-office‘ und die Besprechungen halten wir per Video
– geht alles, sogar Gottesdienste und Seelsorge,
und wir beten für die Kranken und die Trauernden,
und zugleich gegen die eigenen Ängste und Sorgen um die Zukunft
und gegen die Verzweiflung.
Und bis wir uns wiedersehen lernen wir kreativ zu sein und viele neue Dinge.
Bis dahin schreiben wir, ganz ‚old fashioned‘, Briefchen an unsere Nachbarn
mit Hilfsangeboten und mit Dank.
Bis dahin singen wir aus den Fenstern und musizieren auf Balkonen.
Bis dahin lernen wir einander neu kennen
und unsere Familien
und uns selbst.
Bis dahin fangen wir vielleicht sogar an, das Leben neu zu sehen:
Was ist wirklich wichtig?
Und bis wir uns wiedersehen fangen wir an zu träumen
wie es sein könnte, nachdem es nun nicht mehr so ist wie es war.
Was wir verändern, neugestalten
und wie wir neu beginnen werden.
Das wird schön sein, neu zu leben
als Träumende im Hier und Jetzt,
behütet, bewahrt und getröstet!
Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein. (Psalm 126,1-2)
Mo 06.04.2020 | Was ist wirklich wichtig? | Pfarrer Dr. Dietrich Rusam
Was ist wirklich wichtig in meinem Leben? Wahrscheinlich stellen wir uns diese Frage in unserem täglichen Einerlei viel zu selten. Aber in diesen Tagen, in denen wir in der Freizeit die eigene Wohnung oder das eigene Haus nur zum Einkaufen oder Spazierengehen verlassen dürfen oder sollten, können wir diese Frage durchaus einmal stellen. Was sind die Dinge, die, falls Ihnen alles verloren ginge und nur noch diese blieben, Ihr Leben trotzdem noch erfüllen würden. Was fällt Ihnen dazu ein? Ihre Familie, Ihre Kinder, Ihre Gesundheit, Ihre Freunde, Ihr Glaube, die bevorzugten, ja leidenschaftlichen Aspekte Ihres Lebens. Fällt Ihnen eigentlich auf, dass – auch wenn Sie in der häuslichen Quarantäne sich befinden – Sie all das im Grunde immer noch haben. Ja, ich weiß, andere Dinge sind auch wichtig wie Ausgaben und Einnahmen, Hausputz, ein sauberer Schreibtisch, Spaß beim Onlinespielen, Fernsehen ... Die Frage ist nur: Sind die Wichtigkeiten in meinem Leben an der Zeit, die ich für sie aufwende, erkennbar?
Wenn Sie all Ihre Zeit und Energie in die Kleinigkeiten investieren, werden Sie nie Platz haben für die wichtigen Dinge. Achten Sie auf die Dinge, die Ihr Glück gefährden. Spielen Sie mit Ihren Kindern! Reden Sie mit Ihrem Partner! Dies wird augenzwinkernd deutlich in folgendem Gedanken eines Fußballfans: „Schon wieder ein Wochenende ohne Fußball! Keine Ahnung gehabt, was ich tun hätte können! Habe mal mit meiner Frau geredet – scheint ganz nett zu sein.“ Suchen Sie die Gemeinschaft der Menschen, die mit Ihnen in der Wohnung sind! Rufen Sie die Menschen an, die Ihnen am Herzen liegen, erkundigen Sie sich nach ihnen und sagen Sie diesen, wie sehr Sie sie vermissen. Und vielleicht gehen Sie auch einmal beim Spazierengehen an einer Kirche vorbei. Nutzen und genießen Sie die Stille dort und die ganz besondere Nähe Gottes. Spüren Sie neu die Wahrheit des Pauluswortes „Fürwahr, Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir!“ Ich bin mir sicher: Es wird immer noch Zeit bleiben, um die Zeit mit Onlinespielen oder Fernsehsendungen zu überbrücken. Ja, vielleicht nutzen wir die Zeit, in der wir jetzt zurückgeworfen sind auf das Wesentliche, tatsächlich einmal dafür, um dem eigentlich Wichtigen in unserem Leben den Raum zu geben, der ihm zusteht. Bleiben Sie behütet!
So 05.04.2020 | Konfirmation | Pfarrer Michael Sonnenstatter
Palmsonntag - in der Bayreuther Altstadt ist es der Tag, an dem seit Generationen die Jugend konfirmiert wird. Das war hier schon immer so. Palmsonntag ist Konfirmation. Auch 2020 hätte das so sein sollen, an diesem Wochenende, bei strahlendem Sonnenschein. Am Samstag hätten wir den Beichtgottesdienst gefeiert und das Heilige Abendmahl. Die Konfirmandinnen im Kleid, die Konfirmanden im Anzug, weil da auch schon das Gruppenfoto gemacht wird.
Wie immer wären die Jugendlichen recht aufgeregt gewesen – immerhin stehen die meisten von ihnen bei der Konfirmation zum ersten Mal im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Der Posaunenchor hätte gespielt, der Kirchenchor hätte gesungen: Es wäre ein festlicher Gottesdienst geworden. Die Kirche wäre mit über 500 erwarteten Gästen mal wieder richtig voll gewesen. Nicht zu vergessen die Familienfeiern danach, mit gutem Essen und Geschenken für die frisch Konfirmierten.
Es ist anders gekommen. Unvorstellbar anders. Ein Virus hat die Welt im Griff und zwingt die Menschheit zu radikalen Maßnahmen, zu „Social Distancing“ als Infektionskontrolle, um die Ausbreitung von Covid-19 zu verlangsamen. Gottesdienste und Familienfeste aber sind das Gegenteil von "Social Distancing". Denn da geht um Gemeinschaft, um Miteinander und um Nähe. Deshalb kann es unter diesen Umständen keine Konfirmation geben.
Ich habe "meinen" Konfis gestern einen Brief geschrieben und sie an ihren Konfirmationsspruch erinnert. Sie haben sich ihr Bibelwort auf der Konfi-Freizeit ausgesucht und mit dem Hashtag #konfisteilenbibel auf Instagram gepostet. Es sind ihre persönlichen Mutmach-Worte. Jedes Bibelwort ein „Kleiner Mutmacher“, wie der von Laura und Tyler: "Behüte mich wie einen Augapfel im Auge, beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel." (Psalm 17,8)
Das wünsche ich meinen Konfis - bis ich sie wiedersehe und wir ihre Konfirmation dann doch noch feiern können. "Behüte mich...beschirme mich...". Das wünsche ich uns allen.
Sa 04.04.2020 / Herdenimmunität / Pfarrer Ekkehard de Fallois
Jesus Christus spricht: Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe. (Johannes 10, 14-15)
Im großen Internetlexikon Wikipedia lese ich dazu: "Herdenimmunität bezeichnet eine indirekte Form des Schutzes vor einer ansteckenden Krankheit, die auftritt, wenn ein hoher Prozentsatz einer Population immun wurde - sei es durch Infektion oder durch Impfung - sodass ein erhöhter Schutz auch für die nicht-immunen Individuen entsteht."
Es ist ja interessant, mit welchen Phänomenen wir uns in Corona-Zeiten beschäftigen und auseinanderzusetzen haben. Wir lernen täglich dazu. Sonderlich schmeichelhaft ist das freilich nicht, wenn die Menschheit hier zur "Herde" degradiert wird. Das klingt nach mittrotten und hinterhertrotten, wo wir doch sonst auf unseren Individualismus, auf Konsum und Reiselust und auf alle unsere Freiheiten so stolz sind. Eine Herde von dumpfen, hilflosen Schafen, die nur am Fressen interessiert sind, und die in Corona-Zeiten nicht einmal als Herde existieren dürfen, sondern mit Kontaktverbot belegt in ihren Ställen hausen und vor sich hinvegetieren. Stellt sich da nicht ganz automatisch die Frage nach dem Hirten? Führt die Herdenimmunität auch zur Immunität gegenüber ihrem Hirten? Unsere Gesellschaft hat vor Corona überwiegend so gelebt, als ob es kein Morgen, als ob es keinen Gott, als ob es keinen guten Hirten gäbe. Und sie wird es wohl auch danach wieder tun. Und trotzdem bin ich gerade in diesen Tagen heilfroh, dass ich mich im dunklen Tal der steigenden Corona-Fallzahlen, der Todesnachrichten und Hiobsbotschaften einem guten Hirten anvertrauen kann, "der mich wohl weiß zu bewirten, der mich liebet, der mich kennt und bei meinem Namen nennt" (EG 593.1 Weil ich Jesu Schäflein bin).
Dieses Vertrauen wünsch’ ich euch und ich wünsch’ es unserer ganzen Gesellschaft, das Urvertrauen ins Leben und in den, der es liebevoll in seinen Händen hält. Holt es euch doch einmal aus der Zeit eurer Kindheit und Konfirmandenzeit hervor, das Urgebet des Vertrauens, das Gebet vom guten Hirten, den 23. Psalm: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln...
Fr 03.04.2020 | Engel der Aufmunterung | Pfarrer Martin Gundermann
Was muntert Sie in dieser Zeit auf, in der es nur ein Thema zu geben scheint? Die Coronakrise und ihre Folgen.
Jeden Abend verfolgen wir wie gebannt im Fernsehen die xte Spezialsendung, hören aus anderen Ländern, was Angehörige und Trauernde durchleiden müssen.
Ja, es sind schlimme Zeiten – und keine und keiner von uns hat je etwas Vergleichbares erlebt. Selbst über 90jährigen fällt kein vergleichbares Szenario in ihrem Leben ein, wenn wir beim Geburtstagsanruf auf dieses Thema zu sprechen kommen.
Aber einen kleinen Trost gibt es doch, finde ich.
Und der heißt: Niemand muss jetzt stark sein. Niemand muss so tun, als ob er alles im Griff hat. Wir dürfen alle hilflos sein, ratlos, wie es weitergeht – sogar schwach.
Kein anderer Mensch kann von uns noch erwarten, dass wir immer alles können und alles regeln oder schaffen und immer einen guten Plan auf Lager haben für jetzt und für das, was kommt.
Wir wissen vieles einfach nicht. Wir müssen lernen, von heute auf morgen zu leben, und müssen nicht stark sein, auch nicht überlegen.
Das ist tröstlich, finde ich. Gerade, weil es uns allen so geht.
Die wenigen Menschen, denen man draußen noch begegnet, schauen sich scheu an, lächeln, drehen sich wieder weg und gehen auf Abstand – als wollten sie uns sagen:
Ich weiß es doch auch nicht; aber ich muss ja …!
Wie lange wird das noch so gehen? fragen sich alle. Welche Einschränkungen kommen noch?
Haben wir genug Disziplin gegenüber anderen, den Kindern, die sehnsüchtig zu ihren Freunden jenseits des Zauns blicken, den Alten – und natürlich auch gegenüber uns selbst?
Wir wissen es nicht. Wir können es nicht wissen.
Wir sind zu einer Gemeinschaft aus Hilflosen und Ratlosen geworden.
Einer Gemeinschaft, in der sich Menschen mit viele kleine Gesten helfen, die gedrückte Stimmung auszuhalten.
„Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“, schreibt der Apostel Paulus an seine Gemeinde.
Das wird jetzt täglich neu durchbuchstabiert: Von der freundlichen Kassiererin über das Balkonsingen und studentische Hilfsangebote bis zu denen, die andere versorgen und pflegen.
Dazu gehören aber auch die, die andere aufmuntern – meistens leise, fast scheu, aber irgendwie verschmitzt.
Wie die alte Frau im Supermarkt vor ein paar Tagen. Alle, die einkaufen, stehen in gehörigem Abstand voneinander vor der Kasse. Die Kassiererin selbst ist durch die Plastikscheibe geschützt.
Da sagt die alte Frau plötzlich, hörbar seufzend:
Jetzt bin ich doch schon so alt geworden – und trage dieses Ding hier vor Mund und Nase.
Sie meint ihren Mundschutz und zeigt auch mit ihrer Hand darauf.
Als sich dann alle zu ihr umdrehen, sagt sie:
Und wisst Ihr was? Ich will noch älter werden; und Ihr alle mit mir.
Ein Lachen der Erleichterung geht durch die Reihe. Alle sind aufgemuntert:
Ach Gott, scheinen da alle zu denken – und auch wir seufzen still:
Ach Gott, vieles können wir nicht begreifen.
Aber du mögest uns mehr von solchen Menschen, solchen „Engeln“ schicken,
die ein munteres Herz haben und andere aufmuntern können.
Bleiben Sie Gott befohlen!
Do 02.04.2020 | Hoffnung | Pfarrerin Stefanie Lauterbach
„Die Ruhe vor dem Sturm“ sei das jetzt. So formulierte es Gesundheitsminister Jens Spahn vor wenigen Tagen. Er bezog das auf die Situation im Gesundheitswesen. Noch kämen die Kliniken zurecht. Noch kann aufgestockt werden an Intensivbetten, Beatmungsgeräten, Schutzausrüstung. Das ist richtig und wichtig, um für einen eventuellen Sturm, dessen Stärke im Moment nicht abschätzbar ist, gerüstet zu sein.
„Ruhe vor dem Sturm“ – diese Redewendung macht Angst. Angst vor einer ungewissen Zukunft. Und genau diese Angst ist es, die dazu führt, dass viele Menschen den Sturm schon jetzt erleben – als Sturm in ihrem Inneren. Ein Sturm aus Gedanken und Gefühlen, der mal mehr, mal weniger stark tobt. Ein Ansturm vieler Fragen: „Wie wird es weiter gehen? Können die Kinder nach Ostern wieder in die Schule? Was ist mit dem Abitur meines Enkels? Wie geht es in der Firma weiter? Wann kann ich endlich wieder normal arbeiten? Wann können wir die Großeltern wieder sehen?“
Manchmal kommen solche Fragen in Wellen und schlagen einem regelrecht ins Gesicht. Sie können einen umwerfen, die Sorgen, weil der Boden unserer vermeintlichen Sicherheiten unter uns ins Wanken gerät. Nein, das ist keine Ruhe vor dem Sturm. Das ist Sturm.
Mitten drin in einem Sturm stecken auch die Jünger Jesu. Davon erzählt das Markusevangelium. Auf dem See Genezareth sind sie unterwegs, als er plötzlich losbricht und alle Sicherheiten über Bord gehen. Die Wellen, die auf dem Deck aufprallen stellen ihr bisheriges Leben und ihre Zukunft in Frage. Doch da fällt ihnen ein: Jesus ist doch auch mit an Bord. Und er ist nicht einfach ein unbeteiligter, schlafender Passagier im Boot. Er ist der, dem Wind und Meer gehorsam sind. Zuerst erahnen das die Jünger bestenfalls. Dann erleben sie sie: Die Ruhe nach dem Sturm.
Ruhe nach dem Sturm – davon sind wir noch weit weg. Aber auch in unserem Lebensschiff, das derzeit durch den Sturm segeln muss, ist Jesus mit an Bord. Und das nicht als unbeteiligter Passagier, sondern an unserer Seite. Ich darf ihn bestürmen mit meinen Sorgen und Fragen. Und wenn auch die Ruhe nach dem Sturm noch auf sich warten lässt, so wünsche ich Ihnen eines schon jetzt: Ruhe im Sturm. Immer wieder.
Mi 01.04.2020 | Hoffnung | Stud.theol. Simone Eberle
Die Hoffnung ist ein seltsames Ding. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass Menschen nicht irgendetwas Zukünftiges erhoffen. Banales wie, dass sie den Zug noch erwischen oder Oma sich über den Kuchen freut und Bedeutsames, dass sie ihren Job behalten oder die Ehe lange halten mag. Der Mensch braucht Hoffnung zum Leben, zum Überleben – gerade in schwierigen Zeiten. Die Frage ist jedoch, worauf bezieht sich diese Hoffnung? Worauf gründet sie? Hoffnung braucht als Basis das Gefühl von Geborgenheit, gut im Leben getragen zu sein, sich aufgehoben und wahrgenommen zu fühlen.
Im so vertrauten 23. Psalm steht geschrieben: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele…“ Der Psalmist drückt durch diese Worte sein Gefühl von Geborgenheit aus: von gesehen werden. Von „Ja, da kümmert sich jemand um mich und auf ihn und sein Handeln in meinem Leben darf ich hoffen und vertrauen“.
Hoffnung im tieferen Sinne ist also nicht die Gier nach kurzfristiger Wunscherfüllung, sondern eine Grundhaltung zum Leben, mit all seinen Widrigkeiten. So bewegt sich die Hoffnung weg von der Fixierung auf ein bestimmtes Ziel, hin zu einem grundsätzlichen Vertrauen.
Hoffnung kann aber auch zur Zumutung werden. Nämlich dann, wenn sie zur Verpflichtung wird. Wenn Verzweiflung, Mutlosigkeit und Angst keinen Platz finden. So schreibt der Psalmist weiter: „Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.“ Gott sieht auch die Feinde des Psalmisten, die dunklen Stunden – und sorgt sich dennoch gerade in diesen Zeiten um ihn, um uns.
Mit diesem Vertrauen, in Gott einen Ort der Geborgenheit und einen Grund für Hoffnung und gleichzeitig einen Raum für Fragen und Anklagen zu haben, können wir besonnen durch diese Zeit gehen.
Di 31.03.2020 | Singen befreit | Pfarrerin Friederike Steiner
Gibt es ein bestimmtes Lied, das sich wie ein roter Faden durch Ihr Leben zieht? Ein Lied, das sie immer hören können, ganz egal wie es Ihnen gerade geht: Ob traurig, lustlos und abgekämpft, am Boden zerstört oder voller Glückseligkeit? Ein Lied, dessen Melodie Ihnen Kraft verleiht, Sie aufbaut und Ihnen Mut macht? Ein Lied, dessen Text Sie aufmuntert und neuen Schwung verleiht, Ihnen das Gefühl vermittelt, verstanden zu werden? Kurz, ein Lied, das Sie positiv stimmt, Ihnen Hoffnung macht, Sie nach vorne schauen lässt, es Ihnen nach dem Hören einfach rundherum gut oder zumindest besser ergeht?
„Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden.“ (2. Mose 15,2)
Dieses Loblied (2. Mose 15,1-18) stimmte Mose mit den geretteten Israeliten an, als sie beim Auszug aus der Gefangenschaft in Ägypten wohlbehalten das Schilfmeer durchquert und ihre Verfolger hinter sich gelassen hatten. Immer wieder erklang dieses Lied in ihren Reihen, um sich an dieses Wunder Gottes zu erinnern, um Hoffnung zu schöpfen, um nicht aufzugeben – und es erklingt heute noch.
Eines meiner persönlichen alten „Aufbaulieder“ lautet: „Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn allezeit, den wird er wunderbar erhalten in aller Not und Traurigkeit. Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut, der hat auf keinen Sand gebaut.“ (Evangelisches Gesangbuch Nr. 369,1)
Singen und beten Sie getrost Ihr Lieblingslied. Und auch wenn wir derzeit nicht mit anderen gemeinsam in unseren Kirchen singen können, dann singen wir eben allein zuhause vor dem Radio- oder Fernsehgottesdienst oder auch zur Lieblings-CD. Singen befreit!
Übrigens: Mein Enkel hat mir dieser Tage durchs Telefon ein Kinderlied vorgesungen – das hat mich tief berührt. Kinder sind da viel unbefangener als wir Erwachsene. Mal sehn, wem ich heute etwas durchs Telefon vorsinge, vielleicht wird am anderen Ende der Leitung sogar miteingestimmt…
Mo 30.03.2020 | Hände waschen und beten | Pfarrer Dr. Dietrich Rusam
Corona – oder Covid-19! Ich merke selbst: Ich gerate in Panik! Die Politiker sprechen von Epidemie oder – noch etwas dramatischer – von einer Pandemie! Die Menschheit geht zugrunde. Eine Katastrophe! Und man fühlt sich so machtlos, hilflos! Da hilft nichts, nur radikale Einschnitte in das gesellschaftliche Leben und die Hoffnung, dass die Biochemiker und Pharmakologen endlich ein wirksames Medikament und/oder einen Impfstoff aus ihrem Giftschränkchen zaubern.
Jesus kann uns da nicht helfen! Oder doch? In der Bergpredigt lese ich die Sätze: „Sorgt euch nicht um euer Leben! Seht die Vögel unter dem Himmel an; sie säen nicht, sie ernten nicht und euer himmlischer Vater ernährt sie doch! Seid ihr nicht viel kostbarer als sie?“
Mit meinen Schülerinnen und Schülern aus der 6. Jahrgangsstufe habe ich in der vorletzten Woche über diese Worte gesprochen und ich habe gestaunt, was sie da von sich aus erkannt haben. Sich die Hände ausgiebig zu waschen und dabei vielleicht ein Vaterunser zu beten, ist schon sinnvoll, denn das ist Vorsorge, dagegen sagt Jesus nichts. Dasselbe gilt für's Abstand halten zu anderen, aber sich immer Sorgen zu machen, so etwas beeinträchtigt das Leben stark, senkt die Lebensqualität, macht klein und schwach!
Deshalb: Corona hin oder her! Seien Sie vorsichtig und beherzigen Sie die Ratschläge der Fachleute. Aber machen Sie sich nicht übermäßig Sorgen! Das macht nur unglücklich! Was auch passiert – ich bin mir gewiss: Auch Sie bleiben in Gottes Hand und behütet!
So 29.03.2020 | Wenn mein Geist in Ängsten ist | Pfarrerin Dr. Angela Hager
Vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie mir: Ich lese und höre in diesen Tagen die Worte anderer – biblische Worte, Worte von Dichtern, von Literaten – aufmerksamer als sonst. Ich denke anders darüber nach, wie ich mich und mein Leben in ihnen wiederfinden kann. Heute folge ich den Worten eines Mannes, die als Losung über diesem Sonntag stehen: „Wenn mein Geist in Ängsten ist, so kennst du doch meinen Pfad“ (Psalm 142,4).
Es ist mehr als zwei Jahrtausende her, dass dieser Mann gelebt hat, er war offensichtlich eingekerkert, einsam und verzweifelt. Eine ganz andere Zeit, ein anderer Ort, andere Umstände – und doch erscheinen mir die Worte dieses Mannes gerade heute merkwürdig nah. Denn sein Gebet ist ein Ruf aus der Angst, aus einer Isolation, deren Ausgang ungewiss ist.
Wenig ist über den Mann bekannt, später wurden seine Worte König David zugeschrieben. Warum der Mann inhaftiert war, wissen wir nicht, ebenso wenig, wen er fürchtet; es ist nur sehr allgemein von übermächtigen Verfolgern die Rede. Offensichtlich wird er nicht mehr richtig versorgt, so dass er „sehr schwach“ geworden ist. Und vermutlich bangt er der Antwort auf die Frage entgegen: Wie wird das alles ausgehen? Es gibt wenig, was er seiner Not entgegensetzen kann. Aber eines kann er tun: Er kann beten. Und so betet er, ohne seine Lage schönzureden, er ruft Not und Zweifel heraus – und dann auch sein Vertrauen: „Wenn mein Geist in Ängsten ist, so kennst du doch meinen Pfad“.
Isolation, Angst, ein übermächtiger Verfolger, ein ungewisser Ausgang: Vieles kommt mir bekannt vor in diesen Tagen. Wie der Mann damals kann auch ich wenig daran ändern. Aber eines zeigt mir der Psalmbeter: Etwas kann ich immer tun – ich kann beten. Und das ist viel. Wenn ich bete, beginne ich wieder zu handeln. Ich verleihe meiner Angst eine Sprache, ich trete aus meiner Einsamkeit heraus, ich richte mich wieder auf. Und immer wieder geschieht es, dass ich dabei erlebe, was auch der Mann damals erlebt hat: Dass ich wieder Vertrauen fasse ins Leben. Und in den, der meine Pfade kennt.
Sa 28.03.2020 | In der Welt habt ihr Angst | Pfarrer Elmar Croner
Wir befinden uns dieser Tage in einer völlig undurchschaubaren und ungewohnten Lebenslage. Niemand hat heutzutage mit einer solchen die Welt umspannenden Seuche irgendwann in seinem Leben gerechnet. Die „spanische Grippe“ vor über hundert Jahren erlebte zuletzt eine Generation, die heute bereits von uns gegangen ist. Alles ist jetzt anders. Vertrauteste Begegnungen können nicht mehr wahrgenommen werden, Urlaubsreisen, aber auch Konfirmationen, Taufen und Hochzeiten fallen aus. Wirklich schlimm ist es aber für zahllose Kleinunternehmer in der Dienstleistungsbranche, der Gastronomie und dem Handel – sie wissen nicht, wie sie über die Runden kommen können.
Immer wieder standen Menschen vor schicksalsschweren Veränderungen und Krisen. Die Zeiten, an denen sich die Menschen aufmachten, sich gegenseitig umzubringen, sind in Europa Gott sei Dank vorbei. Aber auch die aktuelle Pandemie hat mit den Katastrophen der früheren Zeit eine Übereinstimmung: Es ist die quälende Unsicherheit, wie lange das Unheil noch andauert.
Ich suche Halt und Trost in der Heiligen Schrift: Auch die Jünger Jesu standen vor dem Nichts, als Jesus ihnen konkret andeutete, dass er möglicherweise bald nicht mehr unter ihnen sein wird. All ihre Hoffnungen auf ein Reich Gottes, getragen von Gerechtigkeit und Nächstenliebe ohne Grenzen schienen zerstört. Zitternd vor Angst fürchteten sie Verfolgung oder gar Tod, ohne dass sich Jesu wunderbare Botschaft durchsetzen konnte. Dieser Angst aber entgegnete unser Heiland mit den Worten: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“ (Johannes 16,33). Im griechischen Urtext ist hier aber nicht von Überwindung, sondern von Sieg die Rede: Der Sieg wird kommen, auch wenn noch eine Zeit des Leidens ansteht. Und tatsächlich breitete sich der Glauben an Jesus als den Sohn Gottes aus, getragen von der großen österlichen Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tod.
Können uns diese Worte angesichts von Corona Trost und Zuversicht verleihen? – Ganz bestimmt! Die Geschichte der Christenheit hat gezeigt, dass sie durch Jesus immer wieder auf neue Wege geführt wurden, auf denen sie gut laufen konnten. Gefragt ist Geduld und vor allem Solidarität und Nächstenliebe gegenüber den Kranken, Gefährdeten und wirtschaftlich Betroffenen. Fragen wir uns, wer unserer Hilfe bedarf – auch finanziell. Und lasst uns das Gebet für sie nicht vergessen – in der vollen Überzeugung, dass mit Jesu Hilfe auch dieses Unglück überwunden wird!
Fr 27.03.2020 | Liebe Zeit | Pfarrerin Almut Weisensee
Liebe Zeit!
Du gehst mir auf die Nerven! So oft rennst du mir davon. Ich schaue auf die Uhr und erschrecke: „Schon so spät!“ Ich reiße ein neues Blatt vom Kalender und denke: „Wie schnell die Zeit vergeht!“
So oft rinnst du mir durch die Finger, ich habe einfach morgens noch zu lange gedöst, im Internet gesurft oder vor dem Fernseher gesessen.
So oft dehnst du dich wie Kaugummi, gerade jetzt, wo so viele gewohnte Termine wegfallen: unser Verein, Treffen mit Freunden, Ausflüge und Reisen.
Liebe Zeit, kannst du dich nicht einfach mal normal verhalten? So, dass ich schaffe, ohne zu hetzen, mich entspanne ohne schlechtes Gewissen? So, dass ich weder Stress noch Langeweile habe? So, dass ich die Zeit auskosten kann?
Dein Mensch.
Lieber Mensch!
Ich vergehe nur einfach: 60 Sekunden in der Minute, 60 Minuten in der Stunde, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Es liegt an dir, was du aus mir machst. Zugegeben, ich mache es dir nicht leicht, denn in diesen Sekunden, Minuten, Stunden, Tagen und Jahren kann so viel passieren. Und du, lieber Mensch, musst es sortieren in wichtig und unwichtig, sinnvoll und unsinnig. Dazu kommt: Deine Mitmenschen sehen das mitunter vielleicht ganz anders.
Nun, vielleicht werde ich mich gerade in diesen Wochen für dich wie Kaugummi dehnen. Dann hast du Zeit. Zeit zum Nachdenken, was du wirklich vermisst von dem, was gerade nicht stattfindet. Zum neuen Sortieren, welche Tätigkeiten der Mensch wirklich braucht. Zum neuen Wahrnehmen deines Biorhythmus. Zum Entdecken neuer Tätigkeiten, die dein Herz erfreuen. Dann wirst du mich vielleicht ganz neu kennen lernen.
Noch etwas: Ein weiser Psalmbeter hat einmal gebetet: „Meine Zeit steht in deinen Händen.“ (Ps. 31,16) Vergiss das nicht. Deine Zeit steht in Gottes Händen. Ob ich in deinen Augen davonrenne, dir zwischen den Fingern zerrinne oder mich dehne wie Kaugummi: Auch ich, deine Zeit, bin Gottes Geschöpf und in seinen Händen. Du darfst deine Zeit Gott anvertrauen. Dur darfst ihn um seinen Geist bitten, damit er dir zeigt, was wichtig ist. Du darfst singen und beten wie in einem Lied von Peter Strauch: „Meine Zeit steht in deinen Händen. Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir“ (Meine Zeit steht in deinen Händen, aus: Kommt, atmet auf, Nr. 023).
Gottes Segen wünscht dir deine Zeit.
Do 26.03.2020 | Wir sind der harte Kern | Pfarrer Otto Guggemos
"Wir sind der harte Kern", viel mehr wollte die Altenpflegerin gar nicht sagen. Zu einer Aussegnung war ich im Altenheim. Im Haus war es sehr still, man trug Atemschutz. Flure und Gemeinschaftsräume waren recht leer.
"Wir sind der harte Kern" - die Alten- und die Krankenpfleger, die Ärzte, die jetzt für Menschen da sind, die die Stellung halten - während wir anderen im Home-Office arbeiten, Überstunden abbauen und versuchen, uns nicht anzustecken. Viele Betriebe haben Kurzarbeit, aber hier herrscht tatsächlich Hochkonjunktur. Die zusätzlichen Hygienemaßnahmen kosten Zeit, machen jede Aufgabe langwierig, Unterstützung durch Angehörige fällt weg, etwa beim Füttern oder beim Spazierengehen. Und das schlimmste kommt erst noch, wenn wir in den nächsten Wochen vielleicht wirklich viele Corona-Infektionen bekommen.
"Wir sind der harte Kern." Am Ausgang habe ich eine der Pflegerinnen gefragt, wie es ihr ging. Ich dachte, ich könnte ein Gespräch anfangen, vielleicht ein bisschen Mut zusprechen. Aber sie war schon mutig. Sie sagte nur diesen Satz. Sie sah die wichtige und große Aufgabe, jetzt für unsere Alten da zu sein, und sie hat sie angepackt, weil sie darin ihre Berufung sah.
"Wir sind der harte Kern." Wie viel dieser Satz bedeutet. Es ist auch Stolz darin: Endlich erkennt die Gesellschaft die Bedeutung ihrer Arbeit, einer Profession, die lange als unattraktiv galt. Geringe Gehälter, keine besonderen Aufstiegschancen, dafür Schichtarbeit, hohe psychische und physische Belastung. „Systemrelevant“ heißt das neue Wort für die Aufwertung einer Berufsgruppe.
Ich gehe heim zur Kirche, läute noch das Totenglöcklein, bis unsere Verstorbene auf dem Weg zum Krematorium ist. Und ich bete für die Pflegekräfte in unserem Land, dass sie gesund bleiben, und dass sie endlich die gesellschaftliche Anerkennung bekommen, die sie verdienen: Der harte Kern.
Einen guten und behüteten Tag wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Otto Guggemos
Mi 25.03.2020 | Verkündigung des Herrn | Pfarrer Johannes Feldhäuser
Wir haben den 25. März. Im kirchenjahreszeitlichen Kalender ist das der Gedenktag „Verkündigung des Herrn“: Heute (9 Monate vor Christi Geburtstag!) erinnern wir uns daran, dass der Engel Gabriel zu Maria kam und ihr ankündigte, dass sie von Gott auserwählt ist, den „Sohn des Höchsten“ zur Welt zu bringen (Lukas 1, 26-38).
Nun kann man sagen: „In Ordnung, gut zu wissen - oder auch nicht. Ich persönlich habe aber im Moment durch den Corona-Virus und all den damit verbundenen Einschränkungen ganz andere Probleme!“ Da haben Sie sicher Recht!
Mir selber ist allerdings bei der Auseinandersetzung mit obiger Begebenheit eines ganz neu bewusst geworden: Wie tröstlich ist es doch, dass Gott uns und die Welt nicht allein lässt, sondern uns immer wieder seine Botinnen und Boten, die Engel schickt. Vielleicht kennen Sie den Vers aus Psalm 91, der vielen Babys bewusst als Taufspruch mitgegeben wird: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ Das ist der gleiche Psalm, der so beginnt: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem HERRN: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe… Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln... dass du nicht erschrecken musst … vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt.“
Diese überirdischen oder menschlichen Engel, die uns helfen, mit unserem Er-schrecken vor der „Seuche“ fertig zu werden, können wir alle im Moment sicher gut brauchen. Ja, wir können diesen „Sohn des Höchsten“ gut brauchen, den der Engel Gabriel ankündigte und der zu Lebzeiten viele Menschen körperlich wie seelisch heilte und ihnen Mut machte!
Ich wünsche Ihnen heute die Stärkung und den Schutz der Engel Gottes. Ich wünsche uns, ganz besonders allen Geängstigten, Kranken und Angeschlagenen, Jesu heilsame und heilende Nähe sowie seinen Segen!
Di 24.03.2020 | Jetzt ist alles anders | Dekan Thomas Guba
Jetzt ist alles anders …
Noch vor einer Woche war ich bei herrlichem Sonnenschein in Österreich. Urlaub, Erholung. Jetzt bin ich wieder in Berneck und in freiwilliger Quarantäne, bis zum 27.03.
So geht es vielen Menschen, alles ist anders in der „Corona-Krise“. Unsere Gottesdienste können nicht stattfinden, alle Gruppen und Kreise pausieren. Ab und zu sehe ich eine Kerze in der Kirche brennen, dann weiß ich, dass jemand da ist, der betet, der sich sorgt, der Ruhe braucht.
Ja, jetzt ist alles anders …
Mitarbeitende melden sich krank, nicht unbedingt wegen Corona; die Kindergärten haben zu, so vieles muss neu und anders organisiert werden.
Wie soll das weitergehen und vor allem wie lange? Ostern steht vor der Tür, für uns ein besonderes Fest.
Besuche zu Geburtstagen können nicht mehr gemacht werden. Wir sind zu Hause, abgeschottet. Das ist etwas, was die Wenigsten von uns mögen.
Ja, jetzt ist alles anders …
Ich denke mir, dass vieles anders werden muss. Unsere weltweiten Verbindungen sind schön, wir reisen und lernen fremde Menschen und Kulturen kennen, in der Krise werden sie zum Problem.
Erste Engpässe könnte es geben, so denken viele.
Ja, vieles muss anders werden und es wird anders. In Italien singen die Menschen von Fenster zu Fenster. Und auch bei uns kann der Zusammenhalt wachsen.
Nicht nur als Pfarrer und Dekan, sondern einfach als Mensch, der Christ ist, finde ich ein Bibelwort in diesen Tagen wichtig: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch“ 1. Petrus 5,7
In solchen Situationen kann ich nicht anders als darauf zu vertrauen, dass Gott sich sorgt. Ich wünsche es mir und ich wünsche es Ihnen. Mögen wir Gottes Sorge um uns spüren und unsere Sorgen aussprechen, hinausschreien. Das befreit uns. Hoffnung aber will ich auch behalten, ohne Frage.
Mo 23.03.2020 | Klopapier | Pfarrerin Mareike Krämer
Haben Sie sich schon einmal gefragt welche Rolle Klopapier für Ihren Glauben spielt? Auf den ersten Blick wahrscheinlich keine, aber es gibt ein paar gute Gründe wieso Klopapier eigentlich ein ganz gutes Bild für unseren Glauben ist.
Erstens: Über Klopapier redet man nicht gerne. Jeder braucht es, jeder kauft es, aber oft legt man es etwas peinlich berührt in seinen Einkaufswagen. So als ob sein Gebrauch einem peinlich sein müsste oder als ob es ein Zeichen von Schwäche wäre. Damit ähnelt es dem Glauben. Menschen reden wenig über ihren Glauben, weil sie fürchten, dafür belächelt oder schief angeschaut zu werden. Der erste Grund.
Ein weiterer ist, dass Klopapier der große Gleichmacher ist. Egal welche Rolle ich in meinem sonstigen Leben spiele, für das Klopapier ist das egal. Alle die es brauche, kriegen es gleichermaßen. So verhält es sich auch in unserem Glauben: vor Gott sind alle Menschen gleich. Egal ob ich viel auf meinem Bankkonto hab oder eher wenig, ob ich ein großes Haus hab oder einen Wohnwagen, egal ob ich schwarz oder weiß bin, vor Gott macht all das keinen Unterschied.
Drittens: Klopapier nimmt man, um sauber zu werden. Wenn ich eh schon sauber bin, brauch ich es gar nicht. Dahinter steht ein sehr lutherischer Gedanke, denn Martin Luther sagt, dass es bei uns als Christen nicht darum geht, gerecht/sauber zu sein, sondern gerecht/sauber zu werden. Jesus sagt, er ist nicht zu den Gesunden geschickt worden, sondern zu den Kranken. Die, die Dreck am Stecken haben, die, die Vergebung brauchen, für die ist Jesus gekommen, um sie gesund/gerecht/ sauber zu machen.
Und last but not least ist das Schöne an Klopapier, dass man es einfach wegspült, wenn es seine Funktion erfüllt hat. Alles, was uns (und unseren Darm) belastet hat, verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Und so auch in unserem Glauben: wenn Gott uns unsere Sünde vergibt, dann ist die weg. Sie muss uns nicht mehr belasten, sondern wir dürfen darauf vertrauen, dass alles, was uns belastet hat, alles, was uns von Gott trennt, vergeben und vergessen ist.
Klopapier, ein Bild für den Glauben.